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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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aber an der Wasseroberfläche blieb und schwamm, der war schuldig und wurde verbrannt.
    Wenn er dies überlebte, so mußte er wirklich ein Zauberer sein, dachte Bird, als er Sternengesang für seine Heilung herbeibetete. Aber er konnte seine Knochen nicht mehr dazu bringen, ihre alte Position einzunehmen. Doch immerhin gelang es, sie wieder miteinander zu verbinden. Und die Schmerzen konnte er gebündelt in einem Pfeil von sich wegschießen.
    Er wußte, daß sie wiederkommen würden, ihn zuholen. Er wollte aber keine Furcht aufkommen lassen, denn er wußte jetzt, diese Angst war groß genug, ihn mit Haut und Haaren zu fressen. Und er würde sie nicht ganz und gar abblocken können. Er brauchte einen Plan. Er wünschte, er könnte durch Wände gehen, unsichtbar die Korridore passieren, hinaus in die Nacht. Er wollte heimgehen.
    Immerhin konnte er laufen. Soviel war klar. Nicht leicht oder lange oder gut, aber das war zum Teil nur mangelnde Übung. Die Muskeln hatten sich zurückgebildet. Aber er würde sie trainieren, er würde in der Zelle wandern, drei Schritte in die eine Richtung, drei Schritte zurück, bis er die Gewalt über seine Beine wiedererlangt hatte.
    Sein Verstand war eher das Problem. Früher oder später würden sie seine moralische Widerstandskraft brechen. Sie würden den einen, den schlimmsten Schmerz finden, den er nicht aushalten konnte oder noch härtere Methoden ausprobieren.
    Und dann würden sie sich langweilen, und sie würden ihn unter Drogen setzen. War es wirklich wichtig, was er ihnen erzählte? Sie stellten ihm Fragen über Magie. Was konnten sie schon tun, wenn sie wußten, wieviel oder wie wenig er davon beherrschte? Und sie fragten ihn über den Norden, wie die Stadt regiert und verteidigt wurde. Planten sie einen Krieg? Wenn er ihnen die Wahrheit sagte, daß sich der Norden nicht bewaffnet hatte und auf keinen Krieg vorbereitet war, würden sie dann dort einen Überfall wagen?
    Er wanderte im Geist durch seine Wunderwelten und sorgte sich trotzdem. Ganz allmählich und leise packte ihn Angst. Es konnte sein, daß er seinen Verstand verlor. Aber vielleicht war das die Lösung.
    Als sie wiederkamen, ihn zu holen, war er vorbereitet. Auch eine gute Sache, dachte er, als sie ihn auf eine Hospital-Liege legten und mit einer Spritze auf ihn zukamen. Er erinnerte sich an die Geschichte mit dem Stein, den sie Wüstenrose nannten, er war rosa mit Streifen. Maya hatte ihm erzählt, daß einige Leute ihn Hexen-Gehirn nannten. Der Sage nach hatten die alten Hexen ihre Geheimnisse in diesem Stein aufbewahrt, damit sie sicher vor den Hexenverbrennern waren, wenn sie zur Folter abgeholt wurden. Eines Tages würde die Zeit der Erinnerung kommen. In seinem Kopf war ein solcher Stein verborgen. Bird tat einen tiefen Atemzug, atmete wieder aus und stellte sich vor, daß sein Verstand und seine Erinnerungen in diesem Stein eingeschlossen seien.
    Er dachte sich ein Wort aus, ein Codewort, mit dem er sich wieder zu sich zurückbringen konnte, wenn es notwendig war. Dann erfaßte ihn einen starken Augenblick lang die Angst. Seine Peiniger suchten und fanden seine Vene. Bird nahm das Kristall-Ei mit seinem Verstand und seinen Erinnerungen und allem, was in ihm eingeschlossen war, und floh. Je mehr sie mit Drogen und Fragen in ihn drangen, um so ferner rückte er. Und der Stein war tief im Untergrund begraben. Dort, wo sein Verstand gewesen war, herrschte jetzt etwas Undurchsichtiges, von dem jede Erinnerung elastisch abprallte.

    ✳✳✳

    Littlejohn lag neben ihm im Bett und rieb sich an ihm. Bird wurde sofort wach, und Furcht beherrschte ihn sofort wieder. Wo war er? In den Baracken. Wer war er? Bird. Wie lange war er schon hier?
    Zehn Jahre? Zehn Jahre.
    Und die Schmerzen, die ihn so peinigten, waren Hijohns Schmerzen. Nicht seine, wie er diesmal sofort erkannte.
    Klarheit, Grenzen. Er erinnerte sich an die Lehren seiner Kindheit. Zieh immer den magischen Schutzkreis, bevor du dich zwischen die Welten begibst. Geh' dir nicht verloren.
    »Einst war ich verloren, doch nun bin ich wiedergefunden.« Sein Vater sang diesen alten Song immer.
    »Laß' uns vögeln«, flüsterte Littlejohn.
    »Nein, warte. Ich kann jetzt nicht.« Er konnte immer noch hören, wie Hijohn jammerte. Und er fühlte, wie immer noch diese geheimnisvolle Kraft durch ihn hindurchrann.
    Merkwürdig, er war nie ein Heiler gewesen, und er hatte es auch nie sein wollen. Aber durch seine zerbrochenen Hände hatte er ganz unerwartet diese

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