Das Fünfte Geheimnis
Tür.
✳✳✳
Als die Soldaten kamen, durchsuchten sie jeden Winkel. Das ist auch eine Form der Vergewaltigung, dachte Maya, während sie zusah, wie sie Madrones Unterwäsche durchwühlten. Sie zerstreuten Papiere über den Fußboden, verschütteten Speisen, stießen die Bücher aus den Regalen und warfen die Möbel um. Sie durchsuchten die Schränke, hinter denen sich Larrys Versteck befand, rissen Schubladen heraus, brachen Türen aus den Angeln. Maya hielt den Atem an und betete, daß sie nicht zu heftig an den Paneelen zerrten. Aus der Abseite dahinter kam kein Laut.
Schließlich verließen die Soldaten das Haus, und stieß einen Seufzer der Erleicherung aus. sie hatten Larry nicht gefunden. Wenn nur Bird zurück wäre, sicher in ihrem schützenden Nest.
Kapitel 25
Bird schloß die Augen. Normalerweise wollte er sehen, was auf ihn zukam, normalerweise. Aber er konnte die Blicke seiner Peiniger nicht mehr ertragen, ihre lauernden, prüfenden Blicke. Blicke, wie sie ihm Madrone auf dem Gipfel der Ekstase zuwerfen würde. Vielleicht brauchen wir Männer diese ganz besondere Art der Gewalttätigkeit, um zu spüren, daß wir wirklich existieren, durchzuckte es Bird. Vielleicht müssen wir einem anderen Körper unseren Stempel aufdrücken, um unsere eigene Stärke zu fühlen. Er schloß stöhnend die Augen, nein er wollte diese Mischung aus grausamer Begierde und Sex in den Gesichtern über ihm nicht mehr sehen. Doch gleichzeitig bemerkte er, wie es ihn veränderte.
Längst war er nicht mehr fähig, die Tage zu zählen. Die Tage, an denen seine Peiniger sich intensiv mit ihm beschäftigten, die endlosen Stunden grausamer Folterungen. Sicher waren Wochen seit seiner Gefangennahme verstrichen, doch wieviele? Er wußte es nicht. Am Anfang hatte er sich noch stark gefühlt. Ich kann das aushalten, hatte er gedacht, ich bin zäh. Die ersten Tage überstand er ziemlich gut. Sein Körper blieb fast unangetastet. Seine Peiniger stimulierten nur die Schmerzempfindung des Körpers ganz direkt. Vielleicht komme ich hier mit halbwegs heiler Haut heraus, hatte er zu Anfang gehofft. Eine vergebliche Hoffnung, wie er inzwischen wußte. Bird versuchte, den Gedanken daran aus seinem Kopf zu verbannen. Jede Hoffnung, das hatte er inzwischen erkannt, machte ihn verwundbar, manipulierbar. Genauso wie Angst und Furcht. Es war besser, zu resignieren und nur noch den Tod herbeizusehnen.
Aber der Tod war noch fern, das war das Problem. Als die Stunden sich immer mehr dehnten, zu Ewigkeiten anwuchsen, begann Bird, zu verstehen. Wenn sie ihn einfach nur schlugen, würde er mit der Zeit empfindungslos werden oder an inneren Verletzungen verbluten und sterben. So aber war sein Körper immer wieder aufnahmefähig für weitere, grausamere Schmerzen, und fast hegte Bird inzwischen Bewunderung für seine Folterer, die ihm immer neue, nie zuvor gekannte Pein zufügten. Was sie mit einem Finger anstellen konnten oder mit der empfindlichen Haut am Innenarm! Mit einem Augenlid, mit einer Brustwarze, mit der Haut seines Penis. Von dort kamen jetzt seine pochenden Schmerzen. Schutzlos und verwundbar wie er war, vermochte sein Geist dem schmerzenden Körper nicht mehr zu entfliehen, nicht einmal für Sekunden, er war wehrlos immer neuen Schmerzwellen ausgeliefert. Wenn er vor Hunger und Durst zusammenzubrechen drohte, zwangen sie ihn, zu trinken und zu essen, gerade genug, daß er wieder zu neuen Schmerzempfindungen fähig wurde. Bird hatte in einem unbewachten Moment versucht, das Essen wieder hochzuwürgen und das Erbrochene einzuatmen, um daran zu ersticken. Vergeblich. Nun wurde er intravenös ernährt.
Die passen gut auf mich auf, wurde Bird klar, und seine Ängste bekamen eine neue Facette. Warum das? Wofür brauchen sie mich? Er fühlte, wie seine Widerstandskraft erlahmte. Er konnte viel aushalten, aber doch nicht ewig. Sterben, sterben, sterben, endlich sterben!, betete er. Es hieß, die Große Schnitterin sei unversöhnlich, aber das war nicht wahr. Tod war auch eine Gunst, eine Gnade, eine Erlösung, aber eine, die ihm nicht gewährt werden würde. Nein, ihm nicht. Unversöhnlich war nicht der Tod, sondern das Leben, seine Lebenskraft, die seine Lungen atmen, sein Herz weiter schlagen ließ, ganz gegen seinen Willen. Mein Körper betrügt mich, dachte Bird erbittert, indem er auf die Schmerzen weiter reagiert. Und wozu? Damit er weiterlebte, obwohl ihm jede Sekunde wie Lichtjahre vorkam. Er würde dies alles nie mehr vergessen.
Dann
Weitere Kostenlose Bücher