Das Fünfte Geheimnis
sollte zwei Patenhaushalte haben, um die Arbeitslast zu teilen, wenn es nötig ist.«
Zustimmendes Gemurmel.
»Gibt es irgendwelche Bedenken?«
»Ja, könnten die Leute nicht in Panik geraten?«
»Das kommt ganz darauf an, wie wir unsere Mitteilung abfassen. Auf keinen Fall darf sie klingen, wie eine Anweisung des Jüngsten Gerichts.«
»Die meisten Dinge, die wir hier empfehlen, sind doch eigentlich ganz normal. Das sollten wir immer so machen, auch ohne Epidemie. Es kann immer jemand sterben, und die Arbeit muß getan werden.«
»So ähnlich haben wir es im Transport-Kollektiv längst geregelt. Jedes Wartungsteam hat ein Ersatzteam. Jeder Koordinator hat zwei Stellvertreter, denen er alle wichtigen Informationen mitteilt. Alle drei rotieren in ihren Positionen. Ich dachte, alle Arbeitsgruppen seien so organisiert.«
»Die Toxikologen sind es – mehr oder weniger.«
Sie waren jetzt dabei, Probleme zu lösen, und Madrone merkte, wie ihre Aufmerksamkeit nachließ. Es waren gute Menschen. Sie vertraute ihnen. Wenn es einen besten Weg gab, um mit dieser Krise fertigzuwerden, dann würden sie ihn herausfinden, da war sie ganz sicher. Was auch immer getan werden müßte, sie würden es tun. Vielleicht konnte sie wenigstens für fünf Minuten die Augen schließen...
Der Sprecher stampfte mit seinem Stab auf den Boden, das Zeichen dafür, daß eine der Stimmen etwas sagen würde. Als sie ihre Augen öffnete, konnte Madrone sehen, wie sich die im Raum aufgewirbelten Energien veränderten.
Sie warteten, und der Sprecher horchte mit dem Ohr in das Maul des Fisches.
»Freund Fisch sagt folgendes: Diese Angelegenheit betrifft das Wasser. Die Menschen müssen überleben, damit sie die Schweinerei, die sie angerichtet haben, in Ordnung bringen können.«
»Na, das ist hilfreich«, murmelte einer der Fairy-Männer. »Hat Freund Fisch denn auch eine Idee, wie das gehen soll?«
»Das Überleben fließt in eurem Blut, ebenso, wie das Verderben. Öffnet euch dem, was ihr fürchtet.«
Leben und Tod schwangen gemeinsam in den Strömungen in diesem großen Kuppelsaal. Welchen Dingen konnte sich Madrone öffnen? Sie empfand keine Angst, nur bleierne Müdigkeit, sie hatte Mühe, die Augen offenzuhalten. Ach, was tat's? Möglich, daß sie alle sterben mußten, und nur die Energien, die sie umgaben, blieben übrig. Und warum sollte sie einen Rat von einem Fisch annehmen, der nicht einmal etwas Verständliches sagen konnte? Gab es irgendeinen Grund, weshalb Orakel in Rätseln sprachen? Diosa! Sie brauchte mehr Schlaf.
»Madrone, man fragt dich etwas!«
»Sorry.«
»Ich bin vom Verteidigungsausschuß«, sagte eine alte Frau mit glattem weißem Haar und einer vergilbten pergamentenen Haut. Plötzlich erkannte Madrone, daß es Lilly Fong war, eine von den schon fast mythisch gewordenen Cuatro Viejas, den Vier Weisen Alten. Madrone erinnerte sich, wie Lily damals am Tag des Aufstandes mit erhobener Spitzhacke dagestanden hatte, mit spielenden Schultermuskeln, das Gesicht ruhig und leuchtend. Schon damals war sie alt gewesen.
»Was wir wissen möchten«, sagte Lily, »seid ihr der Meinung, diese Krankheit ist natürlich oder könnte es eine Waffe sein?«
Madrone schaute sie erstaunt an. »Wenn ihr es nicht wißt, wer dann?«
Lily gehörte zu der spirituellen Gruppe, die sich Listener nannten und die sich auf der Insel inmitten des Sees im Park aufhielten und diese nur selten verließen. Dort hielten die »Deep Listener« einen festen Schutzschild in der geistigen Welt aufrecht. Sie wachten über Angriffe auf ihre Leute. Konnten sie denn die Antwort nicht hören?
»Meinst du biologische Kriegsführung?« fragte die Frau neben Madrone.
»Ja, das meine ich. Du bist mit diesen Dingen direkt konfrontiert, Madrone. Wir sehen nur die Vibrationen in der Ch'i-Welt.«
»Ich wünschte, ich wüßte es.« Madrone war so müde. Müde. Mußte sie sich wirklich noch einmal damit herumschlagen?
»Wir beratschlagen das ständig in der Versammlung der Heiler.« Tatsächlich ging sie täglich mit sich selbst zu Rate. »So, wie die Computersimulationen das Ding darstellen, gehen einige von uns davon aus, daß die Sache künstlich entwickelt wurde. Aber solange wir nichts analysiert haben, wissen wir nichts zuverlässig. Tut das denn etwas zur Sache?«
»Klar tut es das. Wie sollen wir uns denn verteidigen, wenn wir den Angriff nicht erkennen?«
»Nun ja, es ist so«, fuhr Madrone fort. »Wir leben hier mit einer Menge von Giften. Laßt euch
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