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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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Stille befragte der Sprecher die Hirsch-Maske.
    »Freund Hirsch schlägt vor, daß wir unsere Verbindung zu Erde nicht vergessen sollten. Er sagt, die Erde ist größer, als jeder einzelne von uns.«
    Es herrschte Stille. Madrones rebellische Seite hätte lieber ihre Beziehung zu dieser Versammlung erörtert, statt die Verbindung zur Erde. Aber ihre Ungeduld mit solchen Versammlungen und Prozessen rührte vermutlich von zu wenig Schlaf her. Oder von ihrem Sinn für die Notwendigkeiten – ihr Wissen, daß auch jetzt, da sie hier saßen und diskutierten, die Menschen starben. Nicht, daß die Fragen nicht wichtig gewesen wären, aber diese Streitereien zwischen Verteidigung und Wasser waren nichts Neues, sie wiederholten sich schon seit Jahren. War es denn wirklich wichtig, daß sie hier zuhörte? Oder war sie nur ungeduldig und wollte sich als etwas Besonderes herausstreichen? Superheilerin, von den gewöhnlichen Pflichten freigestellt?
    »Freund Hirsch sagt, Madrone, hüte dich vor dem kalten Ort!«
    Zur Hölle, was wollte Freund Hirsch damit sagen, dachte sie irritiert, aber ihr Kopf nickte Zustimmung.
    »Wichtige Dinge sind hier angesprochen worden«, sagte Salal. »Es gibt kontroverse Gefühle, was den Verteidigungs-Ausschuß angeht, und auch Fragen, die Stimmen betreffend. Aber wir wollen unsere Kraft jetzt nicht damit vergeuden. Das sind zwar Dinge, die wir nicht ignorieren können, aber wir sollten sie später besprechen – oder nächste Woche. Jetzt aber sind wir immer noch dabei, über die Epidemie zu sprechen. Und ich glaube, niemand von uns möchte wirklich mit ihr konfrontiert sein. Ich jedenfalls nicht. Viel lieber streite ich mich hier mit euch herum.« Das löste Gelächter aus. »Aber wenn wir überleben wollen, müssen wir den Dingen ins Auge sehen.«
    Lily räusperte sich: »Ich hätte diese Frage nach einem biologischen Krieg in der Versammlung nicht aufgeworfen, wenn wir sie nicht sorgfältig geprüft hätten. Leider ist das kein Verfolgungswahn. Wenn ich euch all unsere Befürchtungen erzählte, könnte niemand von euch mehr schlafen. Nein, wir denken, daß dies wirklich möglich ist, sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit.«
    »Ihr glaubt, aber wie können wir sicher sein?«
    Im Osten entstand Unruhe. Der Sprecher lauschte dem Vogel.
    »Bird weiß es«, sagte er.
    »Die Vögel?« fragte Salal.
    »Das hat Freund Hawk nicht gesagt, er sagte Bird.«
    »Wer ist Bird?«
    »Es gab einen Bird bei uns zu Hause«, sagte Madrone. Was war nur los in letzter Zeit? Bird war wie ein Gespenst in ihr Leben zurückgekehrt und hatte eine Gegenwärtigkeit erlangt, die sie lästig fand. »Er ist vor fast zehn Jahren verschwunden. Wir können ihn nicht finden. Kann Freund Hawk ihn finden?«
    »Hawk sagt weiter nichts«, antwortete der Sprecher.
    Madrone fühlte sich trostlos. Für einen kurzen Augenblick hatte sie die Hoffnung gehabt, man hätte Bird gefunden. Die Stimmen oder die Listener oder irgendjemand sonst hätte Kontakt mit ihm aufgenommen. Aber zu hoffen war gefährlich. Die Hoffnung war in ihre Seele geströmt, wie Luft in ein Vakuum. Und nun, da sie von ihrer Hoffnung wieder ablassen mußte, schien die Lücke, die sie hinterließ, scharf umgrenzt und schmerzhaft leer. Sie haßte sich selbst dafür, aber sie mußte weinen.
    Mehrere Leute eilten herbei und umarmten sie. Die Frau neben ihr gab ihr ein Taschentuch.
    »Tut mir leid«, sagte Madrone. »Ich bin nur schrecklich erschöpft. Am besten kümmert ihr euch gar nicht um mich.«
    Die Versammlungen der Heiler waren gewöhnlich tränengetränkt, durchmischt mit Galgenhumor. Doch Leute, die in der Vollversammlung heulten, waren Madrone ein Greuel. Aber sie konnte nicht aufhören zu weinen. Surya nahm Madrone in den Arm und barg ihr tränenüberströmtes Gesicht an ihrer Schulter.
    »Verdammt«, sagte Surya, »wir alle möchten am liebsten heulen, ich auch. Warum machen wir nicht eine kleine Pause. Und du, Madrone, geh' doch nach Hause und schlaf' ein bißchen.«
    Mit einer großen Willensantrengung hob Madrone den Kopf. »Es gibt soviel zu tun, und heute ist es meine Aufgabe, hier zu sein.«
    »Schick sie nicht fort«, sagte Lilly. »Sie wird sich sowieso nicht ausruhen. Geh' zum Strand, Mädchen, und hole dir neue Kraft vom Ozean. Dann wird dir auch die Arbeit leichter fallen.«
    »Das ist ein Spezial-Beschluß der Versammlung«, sagte Salal. »Haben wir darüber Konsens?«.

    ✳✳✳

    Madrone stand vor der Versammlungshalle und schaute nach Westen. Von

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