Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
zu glauben, du wärest tot. War es schlimm, Bird?«
    »Es war nicht gut.«
    »Wirst du mir davon erzählen?«
    »Ja, mit der Zeit, jetzt nicht. Sag mir, wer sonst noch tot ist?«
    Sie zählte ihm die ganze lange Litanei der Gestorbenen auf. Sie schwiegen. Er fühlte eine schreckliche Mischung aus Verlust und Erleichterung. Er wollte weinen und lachen zugleich. Er hatte schon so viel getrauert; was nun übrig blieb, war mehr ein vertracktes Gefühl von Triumph darüber, daß überhaupt jemand überlebt hatte.
    Er seufzte: »Es tut mir so leid um Sandy, so schrecklich leid. Und Marley und all die anderen. Und wo sind die übrigen?«
    »Sage und Nita und Holybear sind oben im Delta bei ihren Versuchsteichen. Sie kommen zurück, wenn die Regenzeit beginnt.«
    »Und wie geht's dir? Geht es dir gut? Du siehst so müde aus.«
    »Mir geht's gut. Ich war krank, wie ich schon sagte. Aber ich bin auf dem Wege der Besserung.«
    Irgendetwas verschloß sich in ihr, während sie sprach, und Bird hatte den Verdacht, sie könnte die Unwahrheit sagen. Sie sah eigentlich gar nicht gut aus. Sie sah verblaßt aus, als könnte sie jeden Moment verschwinden und in eine andere Dimension eintreten. Er spürte das Bedürfnis, sie zu packen, seinen Körper mit dem ihren zu vereinigen und sie so zu beschützen.
    »Bist du hungrig?« fragte sie. »Du kannst eine Suppe haben. Wir sollten deine Rückkehr feiern. Die Tomaten sind reif und natürlich haben wir Zucchini. Tofu. Wir könnten ein paar Fische aus den Tanks im Gewächshaus holen. Irgendwas ist mit einem der Tanks nicht in Ordnung, aber der Rest ist okay. Ich wollte, wir hätten Eier, aber die Hühner legen schlecht.«
    »Das klingt aber wirklich wie ein Fest«, sagte er. »Was ist mit den Hühnern falsch gelaufen?«
    »Ich weiß auch nicht. Die Nachbarn haben sich um sie gekümmert.
    Möglich, daß irgendetwas mit dem Futter nicht stimmt. Ich habe eine
    Menge Dinge schleifen lassen, seit Sandy gestorben ist.«
    »Wie steht's mit dem Wasser?«
    »Es reicht dieses Jahr ganz gut. Du kannst ein Bad nehmen oder lange und heiß duschen, wenn du möchtest.« Sie hätte hier für alle Zeit mit ihm sitzen können und über Essen und Wasser reden. Es gab so viele andere Dinge, über die sie sprechen mußten, aber das mußte jetzt nicht sein.
    »Ich werde sehr lange duschen müssen.« Er lächelte. »Die letzten achtzig Meilen bin ich in einem Geflügel-Transporter mitgefahren.«
    »Das macht mir nichts aus.« Madrone stand auf und schlang ihre Arme um ihn. Sie suchte mit ihren Lippen seinen Mund. Sie wollte ihn in sich einsaugen, ihn festhalten, ihn für immer in Sicherheit bringen und am Leben erhalten.
    Schmerzhaft durchzuckte Bird ein ungeheures Begehren. Er wollte sie. Jetzt! Hier! Im Staub! Auch nur eine Viertelstunde länger zu warten, mußte doch bedeuten, für immer zu warten. Die Welt könnte sich ändern, sie könnte plötzlich verschwinden.
    »Te quiero«, sagte Bird. »Ich will dich.«
    »Ich weiß. Hier und jetzt? Mit den Schwestern, die vermutlich aus dem Fenster sehen?«
    »Ja. Ist das etwa eine schlechte Idee?« Sie lächelten sich an. Begierde leuchtete jetzt auch aus Madrones Augen.
    »Wir haben die ganze Nacht. Wir haben den Morgen und die Nacht danach und die übernächste Nacht und die danach und danach. So lange wir leben«, lächelte sie ihn verführerisch an.
    »Das erscheint mir unmöglich.«
    »Aber es ist wahr.«
    »Gut. Ich will versuchen, es zu glauben.«
    »Geh jetzt zu deiner Großmutter«, forderte sie ihn auf.
    »Du hast recht. Ich sollte sie als erste besuchen.«
    »Ich mach' uns etwas zu essen!«
    »Okay.«
    Er drehte sich um und ging die Hintertreppe hinauf, während sie ihm nachsah. Er bewegte sich langsam beim Treppensteigen, als schmerzte sein Körper. Sie mußte immer noch an den Jungen denken, der so schnell rannte und so weit sprang, als flöge er. Plötzlich lief sie ihm nach und ergriff sein Fußgelenk durch das Treppengeländer.
    »Bird.«
    »Was ist?«
    Sie atmete tief und lachte, dann ließ sie ihn los. »Ich mußte dich einfach berühren. Ich hatte plötzlich Angst, ich bilde mir das alles nur ein. Und wenn ich einen Augenblick nicht hinsehe, könntest du verschwunden sein.«
    »Ich weiß. Ich fühl' mich ganz genauso. Aber ich bin jetzt zu Hause, und ich habe nicht die Absicht, wieder zu verschwinden.«

    ✳✳✳

    Er wußte, das Haus war etwas ganz Wirkliches. Und ganz wirklich waren auch die rasenden Schmerzen in seinem Körper. Sein Bein

Weitere Kostenlose Bücher