Das Fünfte Geheimnis
wirklich mal mit dem Council sprechen.«
»Setzt euch doch«, sagte Lily freundlich und wies auf die Bank vor dem steinernen Tisch.
»Du bist also Bird? Auf dich haben wir schon gewartet. Der Verteidigungs-Ausschuß hat mich beauftragt, mit dir zu sprechen.«
»Können wir nicht mit dem ganzen Council sprechen«, fragte Maya.
Lily schüttelte den Kopf. »Heute bin ich Auge und Ohr für die Großen Neun. Die anderen haben ihre Arbeit zu tun und finden ebenfalls, daß diese Meetings ihre Konzentration stören. Setzt euch, ich bringe Tee.«
Sie verschwand in dem Kuppelgebäude. Nach einer Weile kam sie mit einem großen Tablett zurück. Sie setzten sich auf die Bank vor dem steinernen Tisch. Lily verteilte Teller und Tassen und goß den Tee ein. Die Kanne hatte ein bezauberndes Muster, Vögel flogen da und Leoparden versteckten sich im Gras.
»Wunderbar«, staunte Maya, »das ist ja ein Museumsstück.«
»Das ist es wirklich, es macht viel Freude, so etwas Schönes zu benutzen«, gab Lily zurück. Sie wandte sich Bird zu. »Du bist also derjenige, der in den Southlands war und zurückgekehrt ist? Die Stimmen haben uns davon berichtet. Welche Neuigkeiten kannst du uns erzählen?«
»Keine guten, fürchte ich.«
»Keine Angst. Erzähle einfach, was du weißt.«
Sie hörte ihm aufmerksam zu. Von Zeit zu Zeit stellte sie Fragen.
»So ist das also«, schloß er, »soviel ich weiß, laufen Vorbereitungen für die Invasion.«
»Du hast viele Fragen beantwortet«, meinte Lily, »andere aber gar nicht. Die Epidemien zum Beispiel.«
»Scheinbar gibt es da unten im Süden so viele Bakterien, daß man kaum ungeschoren davon kommt, schon gar nicht ohne Gegenmittel«, meinte Bird, »ich glaube, die letzte Epidemie sollte uns weiter schwächen, bevor sie uns angreifen. Aber das ist nur eine Vermutung von mir. Ich weiß aber, daß sie die Bevölkerung in den Southlands auf diese Weise niederhalten. Entweder arbeitet man für die Stewards oder es gibt keine Medizin bei Krankheiten. Auch Wasser wird rationiert und als Druckmittel benützt.«
»So etwas Ähnliches haben wir schon vermutet, und diese Epidemie-Attacke haben wir im Traum erkannt. Wir wußten nur nicht, wann sie kommen würde.«
»Ich weiß es auch nicht«, sagte Bird abschließend.
»Und wieviel wissen die Stewards über uns?«
Bird blickte versonnen auf die Muster auf seiner Teetasse und fuhr mit dem Finger die Umrisse des Leoparden nach. Das Muster war wirklich schön, es regte zum Nachdenken an. »Sie glauben, der Norden ist eine Brutstätte für Hexen und Magie, und jeder hier sei vom Teufel besessen. Sie haben Angst vor unserer Magie. Vermutlich hat sie diese Angst bisher von uns fern gehalten. Doch abgesehen davon, weiß ich kaum etwas. Ich kann das, was ich gesehen und beobachtet habe, auch nicht richtig einordnen. Ich weiß nicht einmal, ob ich meinen Erinnerungen überhaupt trauen kann. Und, Doña Lily, ich weiß nicht, ob ich mich an alles erinnere, was ich wirklich getan habe.«
»Dieses Problem beschäftigt dich sehr, wie?« fragte Lily zurück.
»Hm, ja...«, gab Bird zu.
»Wenn du ihnen wahrheitsgetreu gesagt hast, die City wird von Neun Weisen Frauen verteidigt, mit Magie und Träumen, würden die Stewards dir so etwas glauben?«, fragte Lily weiter.
Bird lachte: »Nein.«
»Dann quäl' dich nicht länger. Es ist unwichtig, was du ihnen erzählt hast.«
»Dann war doch alles umsonst, was ich durchgemacht habe, all die Qualen. Ich hätte also ebensogut gleich mit ihnen kooperieren können?«
»Nein, nein, das meine ich natürlich nicht. Widerstand gegen Gewalt ist immer richtig. Du hast richtig gehandelt, in jeder Hinsicht. Sicherlich, Informationen sind wichtig für den Gegner. Aber nur, wenn der Gegner sie auch verwenden kann. Die Stewards können mit deiner Auskunft gar nichts anfangen. Und das ist ja auch unsere Strategie.«
»Wie meinst du das?«
Nachdenklich füllte Lily wieder Tee in die Tassen. Sie blickte alle scharf an, während sie ihre nächsten Worte vorbereitete. Dann fing sie an zu sprechen.
»Nach der Neugründung der City hatten wir ein Dilemma. Wir wußten genau, Kriege haben maßgeblichen Einfluß darauf gehabt, daß unsere Welt so ist, wie sie ist. Und wir wollten diese Welt verändern. Doch wir waren von feindlichen Nachbarn umgeben, die uns jederzeit angreifen und überrumpeln konnten. Das ist eigentlich das Problem einer jeden friedliebenden Kultur, seit Tausenden von Jahren. Unser einziger Vorteil war, daß wir
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