Das Fünfte Geheimnis
unsere wenigen Rohstoffe dafür zu opfern, Waffen zu bauen und eine ständig einsatzbereite Armee zu unterhalten? Wo wir doch jeden Tropfen Wasser, jedes Stückchen Brot zum Überleben brauchen. Jede Hand, die etwas Nützliches leisten kann, wird bei uns doch gebraucht, und so viel gibt es noch zu tun, um die Wunden, die wir Menschen der Erde geschlagen haben, wieder zu heilen. Krieg ist eine einzige große Verschwendung, sowohl die Vorbereitungen als auch später der Kampf. Das wissen wir doch schon seit Jahrhunderten, und das Vergangene hat es erneut gezeigt, als ein Krieg fast unser gesamtes Land zerstört hat. Wir haben nichts mehr zu vergeuden. Unsere Zukunft wäre mehr als nur ungewiss, Not und Tod drohen uns, und wir wären noch weniger in der Lage, der Steward-Armee Widerstand zu leisten.«
»Und was passiert, wenn die Stewards auf unsere Halbinsel einmarschieren?« fragte Maya.
»Dann haben wir immer noch das, was wir geschaffen haben: Die City, die Wasserversorgung, unsere Vorräte. Lauter Dinge, die zuerst für unsere Angreifer nicht zählen. Doch für uns liegt Hoffnung darin. Wir sind immer das, was wir gern sein wollen«, gab Lily zurück.
»Aber bleiben wir auch, was wir sind?« blieb Maya skeptisch.
»Um einen Krieg zu wagen, muß man einen Feind haben. Wenn wir uns weigern, Feinde zu sein, wie wollen sie dann gegen uns kämpfen?« blieb Lily zuversichtlich.
»Kein Problem«, sagte Bird sarkastisch, »sie überrennen uns.«
»Ich streite nicht ab, daß es ein Wagnis ist. Niemand von uns, nicht einmal die Klügsten und Stärksten, nicht einmal die Klar-Träumer, wissen, was passieren wird. Wir können nur hoffen, aber Sicherheit gibt es nicht, Wir können nur weiter auf unsere inneren Stimmen hören, und versuchen zu heilen«, fuhr Lily fort, »auch du Bird, mußt versuchen zu heilen, dich selbst und andere. Das ist unser Krieg. Du hast Blut vergossen und darunter gelitten. Du mußt dich reinigen. Kannst du irgendwo hingehen und dich sammeln?«
»Ich hatte einen Ort – vor zehn Jahren«, sagte Bird, »aber um diese Jahreszeit braucht man Skier, um überhaupt in seine Nähe zu kommen. Das schaffe ich jetzt gar nicht.«
»Ich bin schon froh, wenn du so etwas zugibst«, murmelte Madrone.
»Dann geh woanders hin«, sagte Lily.
»Wo ich hingehen muß, das sind die Southlands«, sagte Bird fest.
Lily schloß ihre Augen, sie lauschte tief in sich hinein. »Ja«, sagte sie schließlich, »jemand muß hinuntergehen. Aber nicht du, Bird. Dieser Weg ist dir nicht bestimmt.«
»Das werden wir noch sehen«, gab Bird ärgerlich zurück.
»Es ist schon im Buch der Zukunft so beschlossen.«
»Sie haben um einen Heiler gebeten«, mischte sich Madrone ein, »vielleicht findet sich jemand aus dem Heiler-Council. «
»Ah, Madrone«, Lily drehte sich halb herum und blickte Madrone lange an, dann lächelte sie, »was hast du in diesen Tagen geträumt?«
Madrone schwieg widerstrebend. »In meinen Träumen tue ich das, was ich in wachem Zustand tun sollte«, sagte sie schließlich, »Ich helfe Kranken.«
»Und hilft es den Kranken?«
»Offenbar ja.«
»Lügnerin«, sagte Maya, »du sollst niemanden heilen, sondern dich erholen.«
»Ich kann meine Träume nicht einfach stoppen.«
»Den Teufel kannst du nicht!«
»Laß sie in Ruhe, Maya«, mischte sich Lily ein. »Wie Bird vermutet, sind diese Krankheiten Angriffe von außen auf uns. Was meinst du, wie das funktioniert? Madrone ist immer noch eine Heilerin, aber nun wird sie auch noch zur Klar-Träumerin.«
»Aber sie sollte wenigstens nicht arbeiten«, sagte Maya, »sie sollte sich erholen und ihre Gesundheit schonen.«
»Nun gut, aber sie ist zu tief in das Seelenleben der Gruppe verflochten. Um sich selbst zu erholen, muß sie uns helfen, unsere Gesundheit zu regenerieren.«
»Sie muß ganz einfach lernen, auf ihre eigene Gesundheit Rücksicht zu nehmen«, sagte Maya.
»Würdet ihr bitte aufhören, so über mich zu diskutieren?«, unterbrach Madrone sie ärgerlich, »ich stehe hier, hellwach und bin absolut in Ordnung.«
»Teufel auch”, knurrte Bird, »ihr glaubt, ich sei zu schwach, um in die Southlands zu gehen. Aber guckt sie nur an, sie kann nicht einmal den Hügel hinauf, ohne ins Keuchen zu geraten.«
Madrone warf ihm einen Blick der Verwünschung zu, nur Lilys Anwesenheit hielt sie von bitterbösen Erwiderungen zurück. Ich muß mich zurückhalten, dachte sie, auch wenn ich Birds Versuche, mich zu schützen sehr übelnehme. Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher