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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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was meine Stimmung deutlich aufhellte. Die Zähne wuchsen - sie juckten die ganze Zeit. Auch das Krächzen hatte aufgehört, die Stimme war die alte. Ich nahm die angeratene Dosis Kalzium und beschloss meine Mutter anzurufen.
    Ihre erste Frage war, wo ich gerade auf der Schnauze liege. Das war ihr Lieblingsscherz, dem man entnehmen durfte, dass sie beim Kognak saß und in gnädiger Stimmung war. Auf diese Frage folgte unweigerlich eine zweite: »Aber dass du, wenn du so weitermachst, früher oder später tatsächlich auf der Strecke bleibst, weißt du?«
    Ich ließ sie die Frage erst noch stellen, log ihr dann etwas vor von einem Klassentreffen und einer Datscha ohne Telefon und gab bekannt, ich hätte jetzt eine Wohnung gemietet und käme demnächst meine Sachen holen. Drogenabhängige werden nicht älter als dreißig, verkündete Mama trocken und legte auf.
    Die Familienfrage war geklärt.
    Dann rief Mitra an.
    » Schläfst du noch ?«, fragte er.
    »Nein, nein«, sagte ich, »ich bin schon auf.«
    »Enlil Maratowitsch ist von dir angetan«, verkündete er. »Deine erste Prüfung hast du sozusagen schon mal bestanden.«
    »Er sagte, heute kämen irgendwelche Lehrer.«
    »Richtig. Gib dir Mühe und denk an nichts anderes. Ein guter Vampir wird nur, wer den Rahm abschöpft von dem, was der denkende Teil der Menschheit geleistet hat.«
    Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte es an der Tür. Ich schaute durch den Spion und sah zwei schwarz gekleidete Männer. Auch die Hebammenköfferchen in ihren Händen waren schwarz.
    »Wer ist da?«, fragte ich.
    »Baldur«, sprach eine tiefe, satte Stimme.
    »Jehova«, sprach eine andere, die dünner und höher war.
    Ich öffnete.
    So wie die beiden vor mir standen, erinnerten sie an irgendwelche mittleren Staatssicherheitskader im Ruhestand: rosige, rüstige alte Männer, die anständige Westautos fahren, gute Wohnungen in irgendeiner der Schlafstädte haben und immer wieder einmal auf einer Datscha vor den Toren von Moskau Zusammenkommen, um beim Saufen und Dominospielen die Sau rauszulassen. Nur der Glanz ihrer Augen weckte in mir den Verdacht, das prollige Aussehen könnte Tarnung sein.
    Noch eine Merkwürdigkeit hatte das Pärchen an sich, die ich unterschwellig wahrnahm, ohne genau sagen zu können, worin sie bestand; erst als sie dann einzeln erschienen, kam ich dahinter. Sie ähnelten einander sehr und waren zugleich grundverschieden. Sah man sie zusammen, überwogen die Unterschiede. Doch wenn ich sie einzeln traf, kam es vor, dass ich sie, trotz ungleicher Größe und nicht sehr ähnlichen Gesichtern, verwechselte.
    Baldur war mein Lehrer in Glamour, Jehova unterrichtete
    Diskurs. Der komplette Lehrgang in beiden Fächern dauerte drei Wochen. Wobei der Stoff, den ich mir in dieser Zeit anzueignen hatte, dem Umfang nach einem Universitätsstudium gleichkam mit nachfolgendem Magisteraufbaustudiengang plus Doktorat.
    Ich gebe zu, ich war zu dem Zeitpunkt ein zwar aufgeweckter, doch reichlich ungebildeter junger Mann und wusste bei vielen Wörtern nicht recht, was sie bedeuteten. Die Termini Glamour und Diskurs zum Beispiel hatte ich schon des Öfteren gehört; Diskurs war etwas Kluges und Unverständliches, Glamour etwas Schickes und Teures, das war meine Vorstellung davon. Außerdem klangen für mich beide wie die Namen gewisser Kartenspiele im Knast. Was gar nicht einmal so fern der Wahrheit war, wie sich zeigen sollte.
    Als das Ritual der gegenseitigen Vorstellung absolviert war, sagte Baldur: »Glamour und Diskurs sind die zwei wesentlichen Künste, die ein Vampir in Vollendung beherrschen sollte. Ihre Quintessenz ist zum einen Tarnung, zum anderen Kontrolle. Und was sich daraus ableitet, ist Macht. Verstehst du dich zu maskieren? Vermagst du Kontrolle auszuüben? Macht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann bringen wir es dir bei.«
    Baldur und Jehova machten es sich auf Stühlen in zwei gegenüberliegenden Ecken des Arbeitszimmers bequem. Mich platzierten sie auf dem roten Sofa - das, auf dem sich Brahma erschossen hatte. Kein verheißungsvoller Anfang, wie ich fand.
    »Heute werden wir dich parallel unterrichten«, begann Jehova. »Weißt du warum?«
    »Weil Glamour und Diskurs im Grunde ein und dasselbe ist!«, gab Baldur die Antwort.
    »Jawohl«, stimmte Jehova zu. »Es sind die zwei Säulen der modernen Kultur, die hoch über unseren Köpfen in einem Bogen zueinanderfinden.«
    Sie schwiegen erwartungsvoll, was ich darauf sagen würde.
    »Ich weiß, ehrlich gesagt,

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