Das fuenfte Imperium
nicht recht, wovon Sie reden«, gab ich zu. »Ein und dasselbe, schön und gut, und warum dann zwei verschiedene Wörter?«
»Sie sind verschieden nur auf den ersten Blick«, sagte Jehova.
»Das Wort Glamour geht auf das Schottische zurück und bedeutet dort so viel wie Zauberei. Da ist es wiederum von grammar abgeleitet und dieses von grammatica. Damit bezeichnete man im Mittelalter verschiedene Formen von Gelehrsamkeit, darunter auch okkulte Praktiken, die mit Schriftkundigkeit assoziiert wurden. Womit wir schon fast beim Diskursbegriff angelangt wären.«
Das fand ich nun doch interessant.
»Und wo kommt dann das Wort Diskurs her?«
»Im Mittellatein gab es den Begriff discursus - das hieß: zappeln, hin- und herrennen. Betrachten wir die Etymologie jedoch genauer, so haben wir das Verb discurrere , wobei currere rennen bedeutet und dis- eine Vorsilbe der Negation ist. Diskurs hieße demnach: Rennen verboten! Damit keiner auf Fluchtgedanken kommt.«
»Flucht wovor?«
»Wenn du das verstehen willst, sollten wir besser bei A anfangen«, sagte Baldur. Er beugte sich zu seinem Köfferchen hinunter und zog eine bunte Illustrierte hervor. Schlug sie in der Mitte auf und drehte sie zu mir herum.
»Was du auf diesen Photos siehst, ist Glamour. Die Textblöcke dazwischen sind Diskurs. So weit, so klar?«
Ich nickte.
»Man könnte es anders formulieren«, sagte Baldur. »Alles, was der Mensch sagt, ist Diskurs ...«
»... und wie er dabei aussieht, ist Glamour«, ergänzte Jehova.
»Aber dieses Postulat taugt allenfalls als Ausgangspunkt ...«, sagte Baldur.
»... weil die Bedeutung der beiden Begriffe in Wirklichkeit weit darüber hinausgeht«, beendete Jehova den Satz.
Allmählich bekam ich den Eindruck, vor einer Stereoanlage zu sitzen, bei der zwei zackige Vampire als Lautsprecherboxen dienen. Und was ich da hörte, stammte eindeutig aus der Schublade Psychedelics der Sixties - damals mochten es die Rock-Avantgardisten, den Sound so zu zersägen, dass der Konsument den Stereoeffekt in vollem Umfang genießen konnte.
»Glamour ist Sex, der sich durch Geld artikuliert«, sprach die linke Box. »Oder wenn man so will: Geld, das durch Sex artikuliert wird.«
»Und Diskurs ist sublimierter Glamour«, konterte die rechte Box. »Kannst du mit dem Begriff Sublimation etwas anfangen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann sagen wir besser so«, nahm die linke Box den Faden auf: »Diskurs ist ein Mangel an Sex, ausgedrückt durch fehlendes Geld.«
»Im Extremfall kann der Sex in der Glamourgleichung auch außerhalb der Klammer stehen«, gab die rechte Box von sich. »Geld, artikuliert durch Sex, lässt sich darstellen als durch durch Geld artikulierten Sex artikuliertes Geld. Also letztlich durch Geld artikuliertes Geld. Gleiches betrifft den Diskurs, nur mit einer Korrektur ins Imaginäre.«
»Diskurs ist ein schillerndes Spiel unbewusster Inhalte, die der Glamour hervorbringt, während er im blanken Neid auf kleiner Flamme vor sich hinköchelt«, sprach die linke Box.
»Glamour«, sprach die rechte, »ist ein schillerndes Spiel gegenstandsloser Bilder, die der Diskurs hervorbringt, während er im Feuer sexueller Erregung verdampft.«
»Glamour und Diskurs verhalten sich zueinander wie Yin und Yang«, sprach die linke.
»Der Diskurs umrahmt den Glamour, ist für ihn eine edle Verpackung«, erklärte die rechte.
»Der Glamour verleiht dem Diskurs Vitalität, bewahrt ihn vor der Austrocknung«, wusste die linke zu ergänzen.
»Betrachte den Glamour am besten als Diskurs des Körpers ...«, sprach die rechte.
»... und den Diskurs als Glamour des Geistes«, gab die linke zurück.
»An der Schnittstelle dieser Begriffe entsteht die ganze moderne Kultur«, sprach die rechte.
»Als dialektische Einheit von glamourösem Diskurs und diskursivem Glamour!«, setzte die linke darauf.
Baldur und Jehova sprachen die Wörter Glamour und Diskurs profimäßig englisch aus, Betonung auf der ersten Silbe, was für sich genommen schon Respekt einflößte und dazu führte, dass man ihren Ausführungen traute - aber nicht verhindern konnte, dass ich sehr bald einschlief.
Meine Lehrer zogen es vor, mich nicht zu wecken. Wie sie mir hinterher erklärten, eignet man sich das Material im Schlaf viermal schneller an, weil störende mentale Prozesse ausgeschaltet sind. Als ich aufwachte, waren Stunden vergangen. Jehova und Baldur sahen erschöpft, aber zufrieden aus. Ich hatte keine Erinnerung an das, was in der Zeit geschehen
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