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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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dem Ausgang kein Stück näher gekommen war, im Gegenteil, ich war mehrere Stockwerke höher geraten. Ich wollte jemanden nach dem Ausgang fragen. Doch wie zum Hohn war nun weit und breit kein Mensch zu entdecken. Das Wendel zurückzulaufen hatte ich keine Lust und öffnete aufs Geratewohl alle möglichen Türen, um irgendeinen Menschen zu finden.
    Hinter einer der Türen befand sich ein Kinosaal. Hier wurde gerade sauber gemacht - mehrere Bedienstete wischten den Fußboden. Ich fragte, wie ich am einfachsten aus diesem Haus herauskäme.
    »Am besten durch die Rinne da rutschen!«, gab eine Alte im blauen Kittel einen Tipp. »So machen wir das immer.«
    Sie zeigte auf ein Loch im Fußboden, das in ein grünes Plastikrohr mündete - wie eine Wasserrutsche im Vergnügungspark. Ein Transportsystem, das mir fortschrittlich und modern vorkam. Einzig die Furcht, ich könnte mit meiner Jacke darin hängenbleiben, ließ mich zögern - das Rohr war doch recht eng. Andererseits war die Alte, die mir geraten hatte, diesen Weg zu nehmen, viel dicker als ich.
    »Kommen Sie mit runter?«, fragte ich.
    »Was denn sonst!«, sagte die Alte, beugte sich über das Loch und schwappte aus einer Schüssel, die sie in den Händen hielt, Schmutzwasser hinein, auf dem irgendwelche Federn schwammen. Ich war darüber nicht weiter verwundert, dachte mir nur, dass ich nun wohl warten müsste, bis die Rinne wieder getrocknet war ...
    Hier hatte das Erlebnis sein Ende.
    Bis zu diesem Tag hatte ich schon eine ausreichende Menge Diskurs geschluckt, um hinter die Symbolik des Traums zu steigen. Auch für die Häkchen hinter den Probenkennungen hatte ich eine Erklärung: Während der Versuch Italy-( ergebnislos geblieben war, würde wohl das daneben deponierte France-) mit einem Hechtsprung des lyrischen Helden die Rutsche hinab enden. Doch ging ich der Vermutung nicht nach. Alles in allem war mein pränatales Experiment doch recht freudlos verlaufen, die Fiebervisionen ließen eher an einen grippalen Infekt denken.
    Jedenfalls brachte mich das Erlebnis auf die alte Metapher: der kleine Körper im Mutterschoß als ein Auto, in das die reisefertige Seele einsteigt. Uneinigkeit herrscht nur über die Frage, wann sie einsteigt: schon zu Beginn der Fahrzeugmontage oder doch erst, wenn der Wagen fertig ist? Es zeigte sich, dass diese Frage, an der Abtreibungsgegner und -befürworter sich unversöhnlich scheiden, gar nicht zwingend ist. Der Diskurs, den ich intus hatte, bot zu diesem Punkt weit interessantere Ansichten. Eine zum Beispiel besagte, die Seele steige überhaupt gar nicht erst ein, das ganze physische Leben gleiche der Fahrt einer ferngesteuerten Drohne. Auch radikalere Meinungen kamen vor: Nein, die Drohne fährt auch nicht, alles, was wir sehen, ist der dreidimensionale Film von einer solchen Fahrt, eingefangen wer weiß woher von einem festen Spiegel, Seele genannt. Diese Ansicht erschien mir seltsamerweise am realistischsten - wohl weil mein Spiegel mir zu der Zeit ziemlich viele fremde Filme vorführte. Doch was war das für ein Spiegel? Wo befand er sich? Als ich merkte, dass ich mir schon wieder über die Seele den Kopf zerbrach, war meine Laune gleich im Eimer.
    Einige Tage später stieß ich in einem der Schübe auf ein falsch eingestelltes Röhrchen. Darin war weniger Flüssigkeit als in den anderen. Sein Index entsprach nicht dem des Kastens. Ich sah im Katalog nach und stellte fest, dass das Präparat den Namen Rudel ZOO trug. Den weiteren Angaben war zu entnehmen, dass es um den deutschen Flieger Hans-Ulrich Rudel ging. Die Probe gehörte eigentlich nicht ins Militärfach, sondern ins erotische. Es war das einzige Röhrchen von dort, das noch vorhanden war.
    Natürlich schritt ich umgehend zur Verkostung.
    Kampfhandlungen kamen in dem, was ich sah, überhaupt nicht vor - bis auf ein paar ausgeblichene Erinnerungen an einen Weihnachtsflug über Stalingrad. Auch die weltweit berüchtigten Unholde fehlten allesamt. Das Material war ausgesprochen privat und alltäglich: Hans-Ulrich Rudel bei seinem letzten Berlinbesuch, im schwarzen Ledermantel, mit irgendeinem monströsen Orden am Band um den Hals. Herablassender Geschlechtsverkehr mit einer glücksbleichen Oberschülerin nahe der U-Bahnstation Zoo - unter freiem Himmel, beinahe öffentlich. Außer diesem erotischen Programm enthielt das Präparat noch eine Reminiszenz an eine gigantische Betonzikkurat mit Plattformen für Flakbatterien. Das Bauwerk wirkte dermaßen irreal, dass ich

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