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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Zweifel am Realitätsbezug dieser Einstellung bekam. Doch ansonsten wirkte das Ganze wie ein stilvoller Porno.
    Ich bekenne, diesen Film nicht nur einmal angeschaut zu haben. Rudel hatte das Gesicht eines intelligenten Schlossers, das der Schülerin erinnerte an eine Margarinereklame. Intime Begegnungen zwischen wildfremden Leuten am Bahnhof Zoo schienen im Berlin kurz vor dem Fall an der Tagesordnung zu sein. Doch hatte man an diesen letzten arischen
    Begattungsversuchen allgemein wenig Freude - der Vitaminmangel wirkte sich aus. Erstaunlich fand ich, dass Rudel sich in den Pausen zwischen den Gefechtseinsätzen auf dem Flugplatz im Diskurswerfen übte wie ein griechischer Athlet. Ich hatte mir diese Zeit ganz anders vorgestellt.
    Noch ein paar Tage später kostete ich dann doch von einem Präparat aus der Abteilung Literatur. Brahmas großer Verehrung für Nabokov entsprach die Menge an Präparaten, die einen mehr oder minder direkten Bezug zu diesem Autor hatten: mindestens dreißig an der Zahl. Darunter welche mit seltsamen Namen wie P asternak+1/2Nabokov - es ging nicht hervor, was gemeint war: wenn schon kein unbekanntes Kapitel aus dem Privatleben der Titanen, dann vielleicht der Versuch, beider Genien auf alchimistischem Wege in ein Mischungsverhältnis zu bringen.
    Dieses Präparat wollte ich probieren. Aber auch hier erwartete mich eine Enttäuschung. Die Verkostung ergab überhaupt keine Bilder. Erst meinte ich, das Röhrchen enthielte pures Wasser.
    Doch nach ein paar Minuten juckte es mir in den Fingern, und ich bekam Lust, ein Gedicht zu schreiben. Ich griff zu Stift und Notizblock.
    Der Wunsch allein bedeutete freilich nicht, dass ein Talent zum Dichten sich abgezeichnet hätte. Zwar flossen die Zeilen ungehemmt aufs Papier, zu etwas Ganzem und Vollendetem wollten sie sich aber nicht fügen.
    Nachdem ich den halben Block wieder durchgestrichen hatte, blieb das Folgende stehen:
Für deiner Birken Saft, Für deiner Tender Wagenschmiere, Für deinen blauen Schnee, Für deiner Kuppeln Rundumleuchten ...
    Danach lief die Inspiration gegen eine massive Wand. So wie der Einstieg formuliert war, hätte nun die Gegenleistung angesprochen werden müssen: »... kannst du mich ...« - ja, was? Das war nicht so einfach. Was, fragte ich mich, bemüht, die Warte des Außenstehenden einzunehmen, was könnte ich dir für deinen geschmierten Tender bieten? Angemessene Antworten in deftiger Volkssprache kamen mir zur Genüge in den Sinn, doch in einem Gedicht gehörte sich das nicht.
    Ich beschloss, das poetische Experiment auf sich beruhen zu lassen, und wollte mich vom Sofa erheben. Da plötzlich spürte ich etwas in mir hochsteigen, eine Woge von Glück schwoll an in meiner Brust, wollte hervorbrechen und die Menschheit mit glitzerndem Schaum bedecken. Ich holte tief Luft und ließ es herausschwappen. Danach schrieb meine Hand von ganz allein:
My sister, do you still recall The blue Hasan and Khalkhin-Gol ?
    Das war alles. Zuletzt klapperte mir im Kopf noch eine dubiose dreistufige Anrufung herum, etwas wie »Hamsun! Hazienda! Hakamada!«, dann ging der Muse das Licht aus.
    Die Unzulänglichkeit dieses Versuches war möglicherweise auf einen Mangel an Gefühlsbaustoffen in meiner Seele zurückzuführen. Auch der größte Architekt benötigt Ziegel. Und was Nabokov anging, fehlte es mir vielleicht auch einfach am englischen Vokabular.
    Doch ganz umsonst war das Experiment auch nicht gewesen. Ich lernte daraus, dass es offenbar möglich war, den Informationsgehalt eines Präparates zu begrenzen: Über das Leben der Dichter zum Beispiel erfuhr man überhaupt nichts.
    Ich beschloss, Mitra danach zu fragen.
    »Hast du etwa in der Bibliothek geschnüffelt?«, fragte er missmutig.
    »Naja.«
    »Lass die Finger davon. Genügt dir das Material im Unterricht nicht? Ich kann Jehova bitten, dir noch etwas mehr aufzubürden ...«
    »Schon gut«, sagte ich, »ich tu’s nicht wieder. Erklär mir trotzdem mal, wie es kommt, dass in einer Probe nur ein einzelnes Merkmal übrig bleibt? Zum Beispiel nur eine bestimmte Sorte Versbausteine? Und keine Bilder?«
    »Destillation. Dafür gibt es eine spezielle Technologie. Die rote Flüssigkeit durchläuft eine zylindrische Spirale im Helm eines Fegevampirs. Der fällt in eine besondere Art Trance und konzentriert sich auf denjenigen Aspekt der Probe, der bewahrt bleiben soll. Alle übrigen Fraktionen werden durch chemische Substanzen, die der Feger zu sich nimmt, gelöscht. Man verfährt

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