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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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schnellen Tod gestorben. Ein leises Pardon! klang mit.
    Seltsam erschien jedoch etwas anderes: dass die Epoche entschwand, doch die Leute blieben, wo sie waren, in den Betonwaben ihrer sowjetischen Häuser. Nur die unsichtbaren Fäden, die einmal alle zu einem Ganzen verbunden hatten, rissen ab. Nach ein paar Jahren der Schwerelosigkeit entstanden dann neue Gespinste, und die Welt wurde eine vollkommen andere - ohne dass irgendein Gerät diese Fäden hätte registrieren können. Das war frappierend ... Und wenn sich schon vor meinen Augen solche Wunder ereigneten, musste ich mich nicht wundern über das, was Mitra erzählte.
    Zu beiden Seiten tauchten Kiefern auf - ein Zeichen, dass Enlil Maratowitschs Behausung nicht mehr weit sein konnte. Der Wagen bremste ab, die Räder holperten über einen »schlafenden Polizisten«, gleich darauf noch einen. Wir durchfuhren einen offenen Schlagbaum, der mir beim letzten Mal nicht aufgefallen war, und stoppten vor einem Tor in einem hohen Zaun. An den Zaun entsann ich mich, die Pförtnerloge dahinter hatte ich auch übersehen: ein massives Bauwerk aus Backsteinen in drei verschiedenen Gelbtönen, die sich zu einem raffinierten, unaufdringlichen Muster fügten. So könnte Babylons Hintereingang ausgesehen haben, fiel mir ein. Die Torflügel, die aussahen wie Panzerstahl, gingen langsam auf, und wir konnten passieren.
    Die Einfahrt führte geradewegs hinab zur unterirdischen Garage, aus der wir neulich aufgetaucht waren. Jetzt aber bogen wir in eine Seitenallee. Links und rechts salutierten mächtige alte Kiefern, dann rollten wir auf einen offenen Platz voll mit geparkten Autos, manche mit Rundumleuchten auf dem Dach. Unser Auto blieb stehen; der Fahrer stieg aus und öffnete für uns die Tür.
    Gebäude im gängigen Sinne des Wortes waren keine zu sehen. Vor uns gab es mehrere flache, unsymmetrische weiße Plattformen, die wie Pilze aus der Erde gewachsen schienen. In der vordersten war eine Tür zu erkennen, eine breite Freitreppe führte zu ihr hinauf. Seitlich der Treppe ein künstlicher Wasserfall, eigenwillig und schön.
    Man konnte denken, es wäre ein Stück eines Flusses: Das Wasser kam über breite Terrassen nach unten geflossen und verschwand in einer Ritze im Beton. Verschiedenfarbige Steinboote standen im Strom, in jedem saßen ein steinerner Kavalier und eine steinerne Dame mit Fächer. Vermutlich handelte es sich um eine Skulpturengruppe aus dem alten China. Während die Farbe an den Booten noch gut erhalten war, fehlte sie an den Figuren beinahe völlig. Es gab zweierlei Kavaliere: eine Variante mit ernstem, konzentriertem Gesicht hielt ihr Paddel ins Wasser getaucht; die zweite hielt eine Laute und lächelte selig, den Kopf in den Nacken gelegt - wahrscheinlich hatte sie bereits erkannt, dass zu paddeln nicht lohnte, diese Überfahrt war anderer Art. Die Damen in den Booten blickten alle gleich, in verkrampfter Arroganz; nur die steinernen Frisuren und die Fächerformen variierten. Mir fielen die alten Verse eines sowjetischen Dichters ein:
Holet über! Holet über !...
Manchem winkt der Ruhm herüber ; manchen ziehts zum kalten Grund.
    Das war freilich schonend formuliert; anders wäre es zu jener Zeit wohl nicht gedruckt worden.
    Mitra und ich stiegen die Treppe hinauf.
    »Enlil hat ein besonderes Haus«, sagte Mitra. »Ein großer, mehrstöckiger Wohnbunker mit gläsernen Decken.«
    »Wie kam er ausgerechnet auf so was?«
    »Er sagt, Leute hinter der Wand machen ihn nervös. Mit Erde drumherum schlafe es sich besser ... Er ist eben ein Traditionalist.«
    Wir hatten die Tür noch nicht erreicht, da ging sie auf. Vorbei an einem livrierten Lakaien - so einen sah ich zum ersten Mal im Leben - liefen wir durch einen Korridor, der, einen Bogen beschreibend, in einen kreisrunden Saal führte.
    Dieser Saal war sehr schön. Viel Luft und Licht, das durch die transparenten Segmente der Decke auf den mit einem komplizierten geometrischen Muster versehenen Fliesenboden fiel. Die Einrichtung war klassisch gehalten: Gemälde und Gobelins an den Wänden, dazwischen Büsten antiker Kaiser und Philosophen - ich erkannte Sokrates und Caesar, Mark Aurel und Tiberius. Den abgeschlagenen Nasen nach zu urteilen, handelte es sich um Originale.
    Ich wunderte mich über den eingebauten Kamin, der, obzwar von beeindruckenden Ausmaßen, augenscheinlich viel zu klein war, um diesen Riesenraum zu beheizen. Wenn es sich nicht um einen Fehler des Architekten handelte, dann wohl um eine

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