Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
Vom Netzwerk:
Ring zustande gekommen war - mich schauderte. Und bei dem Gedanken, dass sie mir dabei Zusehen konnte, wie und wozu ich ihr Photo benutzt hatte, bekam ich das große Zittern.
    »Schmatz«, murmelte ich. »Es hat sich ausgeschmatzt.« Ich litt so heftig, dass es zu einer vollwertigen Katharsis kam - die, wie so oft in diesen Fällen, nicht nur die Quelle des Schmerzes, sondern auch ihre Umgebung erhellte. Ich notierte in mein Schulheft:
Sich sinn- und gnadenlos größer zu machen, als man ist - das ist eine typisch russische Krankheit, vor der auch die Vampire nicht gefeit sind. Sie entspringt nicht einem besonders miesen Nationalcharakter, sondern der fatalen Kombination aus europäischem Raffinement und asiatischer Rechtlosigkeit, die die Crux unseres Lebens ausmacht. Der Russe, indem er sich aufspielt, möchte damit nicht zeigen, dass er besser ist als die, vor denen er sich spreizt, sondern andersherum - er ruft: »Schaut her, ich bin wie ihr, ich hab das Glück nicht minder verdient, ich will nicht, dass ihr mich verachtet, nur weil das Leben so grausam zu mir war!« Richtig verstehen kann das nur, wer mit ihm fühlt.
    Von Mitgefühl zu reden gab mir freilich nur die rhetorische Routine ein. Selbst empfand ich selten welches. Fand aber trotzdem - wie alle Vampire -, dass ich es vollauf verdiente. Sich selbst von der Seite zu sehen will uns leider nur schwer gelingen, das haben wir mit den Menschen gemein.
    Ich schlug die Zeit tot, indem ich in Klubs und Restaurants abhing. Ein paarmal spendierte ich unbekannten Mädchen Getränke und verwickelte sie in bedeutungsvolle Gespräche, doch wenn es Zeit wurde zu handeln, verlor ich jedes Mal das Interesse. Vielleicht war ich einfach noch nicht so weit, Lokis Lehrsätze in die Praxis umsetzen zu können. Oder es lag nur daran, dass keines der Mädchen Hera ausreichend ähnlich sah ... Dies feststellend, war ich erst recht irritiert: Hieß das, ein Mädchen hätte nur Ähnlichkeit mit Hera haben müssen, damit ich Lokis Techniken zum Einsatz brachte? ... Kurzum, meine persönlichen Angelegenheiten gestalteten sich so verworren, dass eigentlich ein Besuch beim Psychotherapeuten angestanden hätte.
    Aber wie es zu sein pflegt: Persönliche Unsicherheiten versucht man dadurch zu kompensieren, dass man viel Geld ausgibt. Ich kaufte in diesen Tagen einen Haufen Klamotten in der Archetypique Boutique; für einen Satz Seidenschlipse - Nedelka Top executive, sieben Stück, vollkommen überflüssig - bekam ich sogar Rabatt, weil ich Karre No.2 an der Wand - einen gelben Lamborghini Diablo - richtig erkannt hatte.
    Während dieser Zeit verdichtete sich bei mir die düstere
    Ahnung, dass eine neue Prüfung meiner harrte, die weitaus ernsthafter sein würde als alle vorigen. Als die Ahnung sich genügend verdichtet und verdüstert hatte, materialisierte sie sich: in Gestalt von Mitra. Eines Morgens trat er, ohne zu klingeln, ein. Zu dem Zeitpunkt war mein Groll auf ihn schon beinahe verflogen.
    »Das hatte ich nicht von dir erwartet«, stellte ich ihn immerhin zur Rede, »dass du Hera gleich alles erzählst.«
    »Was soll ich ihr erzählt haben?«, fragte er verblüfft.
    »Dass ich die Rudel-Zoo-Probe geleert habe, zum Beispiel.«
    »Das hab ich gar nicht erzählt. Die Rede war ganz allgemein von diversen seltenen Präparaten, dieses eine hatte ich als dein Erbstück erwähnt. Dass du es ausgetrunken haben könntest, muss Hera sich selber zusammengereimt haben. Sie ist außerordentlich feinfühlig gegenüber ihren Gesprächspartnern, musst du wissen.«
    »Das Thema überhaupt anzusprechen gehört sich nicht. Ist das so schwer zu begreifen?«
    »Jetzt, wo du es sagst... Entschuldige, es war unüberlegt.«
    »Was verschafft mir die Ehre des Besuches?«
    »Ich bringe dich zu Enlil Maratowitsch. Wir haben heute viel vor, es wird spät werden. Erst wirst du der Göttin vorgestellt, hinterher folgt noch ein geselliges Beisammensein.«
    »Ein was?«
    »Ein ritueller Freundschaftsabend zwischen Vampiren und Chaldäern. Auf den Punkt gebracht: Durchtriebene, entmenschte Geschöpfe veranstalten ein gemeinsames Abendessen, um einander zu versichern, wie nett und harmlos man doch sei, und nichts Menschliches sei einem fremd ...«
    »Wer wird teilnehmen?«
    »Von denen, die du kennst - deine Lehrer. Na, und deine Gefährtin aus dem Unterricht. Nach ihr hast du bestimmt schon Sehnsucht, oder?«
    »Hera kommt auch?«, fragte ich nervös.
    »Was hat Hera damit zu tun?«
    »Vom wem redest

Weitere Kostenlose Bücher