Das fuenfte Imperium
interessieren sich einen feuchten Kehricht dafür.«
»Das täuscht. In ihrer Welt hat die Leistung nur ein anderes Format«, erwiderte Enlil Maratowitsch. »Seinen Fuji hat jeder, so mickrig und bekotzt er auch ist.«
Ich seufzte nur. Diese ewigen Zitate aus meiner frühen Lebenserfahrung waren unerquicklich.
»Der Mensch ist von der Frage des Geldes und ihren Lösungsmöglichkeiten permanent in Anspruch genommen«, fuhr Enlil Maratowitsch zu dozieren fort. »Auch wenn dieser Prozess unterschiedliche, mitunter diffuse Formen annimmt. Man meint: Da liegt ein Mann am Strand und tut gar nichts. Dabei überlegt er die ganze Zeit: Was kostet so eine Yacht, wie sie da hinten am Horizont segelt, und was muss man im Leben anstellen, dass man sich so eine leisten kann? Während die Gattin neben ihm nach der Frau auf der Nachbarpritsche schielt und sinnt, ob deren Tasche echt ist und die Sonnenbrille, und was wohl diese Botoxspritzen kosten und so ein Arschlifting und wessen Bungalow teurer ist. Im Zentrum all dieser Psychowirbel befindet sich die immer gleiche Abstraktion: die Idee des Geldes. Und jedes Mal, wenn so ein Wirbel im Bewusstsein des Menschen entsteht, wird die Geldzitze abgemolken. Konsumkultur, Markenbewusstsein, Stilentscheidungen - alles nur Schein. Dahinter verbirgt sich immer das eine: Der Mensch hat ein Wiener Schnitzel gegessen und verdaut es zu Aggregat M5.«
Den Ausdruck hatte ich noch nie gehört.
»Aggregat M5? Was ist das?«
»Der Begriff Aggregat definiert in der Ökonomie den Zustand von Geld. M0, M1, M2, M3 sind Formen des Umlaufs von Bargeld, Wertpapieren und Verbindlichkeiten. Das Aggregat M4 zum Beispiel schließt mündliche Schmiergeldvereinbarungen ein, eine andere Bezeichnung dafür ist M-Che bzw. M-Tschu, was eine Reverenz an Ernesto Che Guevara und Anatoli Tschubais ist. Aber das ist alles Blendwerk und nur im Bewusstsein der Leute vorhanden. Mit M5 verhält es sich grundlegend anders. Das ist eine ganz eigene Art psychischer Energie, die der Mensch absondert, während er nach den übrigen Aggregaten giert. Das Aggregat M5 ist real existierend. Alle übrigen Geldmengen sind nur Objektivationen dieser Energie.«
»Moment mal«, sagte ich. »Vorhin sagten Sie noch, Geld käme in der Natur gar nicht vor. Jetzt behaupten Sie von M5, es existierte. Mal so, mal anders?«
Enlil Maratowitsch schob sein Blatt mit der ersten Zeichnung vor mich hin.
»Schau her«, sagte er. »Das Gehirn ist ein Gerät, das die von uns so genannte Welt erzeugt. Es kann Signale nicht nur empfangen, sondern auch welche senden. Justiert man alle diese Geräte gleich und lenkt das Augenmerk aller Menschen auf dieselbe Abstraktion, dann werden alle Sender ihre Energie auf derselben Wellenlänge senden. Und diese Wellenlänge ist das Geld.«
»Geld ist eine Wellenlänge?«
»Jawohl. Also nichts, wovon sich sagen ließe, dass es wirklich existiert, es ist nur eine Begriffshülse und außerhalb des Gehirnkastens nicht vorhanden. Andererseits wäre es Blödsinn zu sagen: gibt es nicht, denn man kann ja die Länge einer Welle messen. Verstehst du?«
»Sekunde«, sagte ich. »Es gibt doch in den einzelnen Ländern unterschiedliche Währungen. Heißt das, wenn die Moskauer ihre Umschläge mit Dollars bekommen, dass ihre Lebenskraft nach Amerika gesendet wird?«
Enlil Maratowitsch lachte schon wieder.
»Eher nicht. Geld ist Geld, unabhängig davon, wie es heißt und welche Farbe es hat. Reine Abstraktion. Die Wellenlänge ist also überall gleich. Doch hat ein Signal nicht nur eine Frequenz, sondern auch eine Form. Und die kann von Fall zu Fall sehr verschieden sein. Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum es auf der Welt verschiedene Sprachen, Nationen, Länder gibt?«
»Ergab sich so«, sagte ich achselzuckend.
»Die juckige Jungfer im Stroh ergab sich dem Knecht einfach so. Alles Übrige unterliegt Mechanismen. Die Welt teilen sich mehrere souveräne Gemeinschaften von Vampiren. Nationalkulturen, denen die Menschen zugehören, sind etwas wie Brandzeichen, womit man das Vieh markiert. Wie eine Zahlenkombination für das Kofferschloss. Ein Zugangscode. Jede Vampirgemeinschaft darf nur ihr eigenes Vieh melken.
Darum kann sich die kulturelle Objektivation des Geldes spürbar unterscheiden, auch wenn die Technologie seiner Erzeugung überall dieselbe ist.«
»Und der Sinn der menschlichen Kultur hätte sich damit erschöpft?«, fragte ich.
»Nein, das würde ich nicht sagen.«
»Worin bestünde er
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