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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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langer Metallsteg hinführte. Für den Moment dachte ich, es wäre eine überdimensionale Pflanze, irgendein haushoher Stachelkaktus, eingerüstet und mit schwarzen Lappen verhängt. Auch an eine fassförmige Trägerrakete auf der Startrampe hätte man denken können. (Die Vielzahl von Leitungen und Kabeln, die von ihr ins Dunkle verliefen, hätte dazu gepasst.) An der Spitze des Kolosses prangten zwei riesige senkrechte Metallringe, die in die Höhlendecke eingelassen waren.
    Ich lief los. Die Sohlen klapperten dröhnend über das Metall und kündigten mein Erscheinen an. Aber keiner hieß mich willkommen, im Gegenteil: Weiter vorn gewahrte ich ein paar dunkle Gestalten, die das Weite zu suchen schienen. Es schienen mir verschleierte Frauen in hochgeschlossenen Kleidern zu sein, fernöstlichen Trachten vielleicht. Ich rief ihnen nicht hinterher; wenn sie gewollt hätten, wären sie auf mich zugekommen. Vielleicht war es rituelle Vorschrift, sich von anderen fernzuhalten.
    Ich lief noch zehn Meter und blieb stehen.
    Nun sah ich es: Das eingerüstete, von Rohrleitungen umwundene Riesenfass ... atmete. Es lebte! Und in meiner Wahrnehmung vollzog sich eines jener kleinen Blitzwunder, wenn der Verstand urplötzlich aus einer Anhäufung willkürlich erscheinender Linien ein sinnvolles Bild konfiguriert.
    Ich erkannte eine riesige, dem Anschein nach bandagierte und von einer Vielzahl Klammern und Stützen gehaltene Fledermaus. Ihre Pfoten, die aussahen wie die umgekehrten Pfeiler eines Turmkrans, umkrallten zwei mächtige, tief im Gestein der Decke verankerte Kupferringe. Die Flügel waren mit Seilen und Trossen an den Körper gezogen. Den Kopf sah ich nicht - er musste sich, wenn man den Körperproportionen folgte, in einer Grube, deutlich tiefer als der Fußboden, befinden. Ihr Atem ging wie von einer großen Pumpe betrieben.
    Sie war alt. So alt, dass ihr Geruch eher geologisch als biologisch einzuordnen war (daher meine Assoziation eines Schwefelbades). Sie sah unwirklich aus - wie ein in die eigenen Flossen gewickelter, in ein Korsett gehängter Wal. Ein Anblick, wie der Phantasie eines Haschisch rauchenden surrealistischen Malers aus dem vorigen Jahrhundert entsprungen ...
    Ganz dicht an die Maus heranzugehen war nicht möglich -sie war von Wachposten umgeben. Der Steg, auf dem ich lief, endete vor einem in den Fels gehauenen, abwärts führenden Tunnel. Behutsam schritt ich die glitschigen Stufen hinab und stand vor einem von Halogenlicht erhellten Gang, der an Kohlestollen erinnerte, wie man sie aus Fernsehreportagen kennt: gestützt von Eisenprofilen, ein Gewirr schwarzer Kabel auf dem Boden. Ein sachter Wind fächelte mir übers Gesicht - die Ventilation arbeitete.
    Ich nahm den Gang in Angriff. Er führte mich alsbald in einen runden Raum, der zur Gänze aus dem Felsmassiv herausgehauen war. Der Raum schien sehr alt. Die Decke war verrußt, der Ruß, in den Stein eingedrungen, schmierte nicht mehr. An den Wänden gab es Ockerzeichnungen, runenförmige Krakel und Umrisse von Tieren. Rechts vom Eingang hob sich dunkel eine fensterartige Vertiefung ab. Davor stand ein primitiver Altar, nur aus einer Steinplatte bestehend. Auf ihr eine Ansammlung von Artefakten: Terrakottascheiben, grob getöpferte Becher und eine Menge gleichförmiger Statuetten - feiste Frauenfiguren mit winzigem Kopf, Riesenbrüsten und ausladendem Gesäß. Manche aus Bein geschnitzt, manche aus gebranntem Ton.
    Ich drehte eine der Lampen so, dass das Licht in die Nische hinter dem Altar fiel. Dort war ein Stück Fell gespannt. In dessen Mitte baumelte ein menschlicher Schrumpfkopf mit langen grauen Haaren. Vollkommen ausgedörrt, doch ohne jegliche Anzeichen von Verfall.
    Mir wurde beklommen zumute. Schnell kehrte ich zurück auf den Gang und lief weiter. Nach wenigen Metern geleitete er mich in einen ganz ähnlichen Raum - auch hier eine Nische mit Fell und mumifiziertem Menschenkopf darauf. Den Altar zierten Bergkristalle, irgendwelche unidentifizierbaren Fossilien und bronzene Speerspitzen. Die Wände waren mit einem komplizierten Ornament bemalt.
    Dahinter lag ein weiterer solcher Raum. Dann noch einer und noch einer. Es waren sehr viele; zusammen erschienen sie wie der Rundgang durch ein Geschichtsmuseum unter dem Motto »Vom Urmenschen bis in unsere Tage«. Äxte und Messer aus der Bronzezeit, zu Rost zerfallenes Eisenzeug, Münzfunde, Zeichnungen an den Wänden - ich hätte mich alledem bestimmt eingehender gewidmet, wären nicht diese

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