Das fuenfte Maedchen
ich so unglaublich für ihn schwärmte, lag also nicht allein an seiner Kieferpartie oder der ein wenig zu groÃen Nase, die mich an einen Schauspieler erinnerte. Ich bin oberflächlich, aber nicht einfach ein feuchter Fleck, der dabei ist, zu verdampfen. Ich mochte ihn wirklich, weil er wirklich nett war.
Als ich ihn dann mit Annette Norton kichern sah, konnte ich nicht anders: Ich betrachtete es als Untreue. Obwohl ich bis dahin kaum zwei Worte mit ihm geredet hatte, gehörte er in meinen Augen mir. Deswegen war es, als hätte man mir eine Lanze ins Herz gebohrt, als ich sah, wie seine verräterische Hand nach ihrer griff. Er flüsterte ihr auch etwas zu und seine Zunge war ganz nah an ihrem Trommelfell. AuÃerdem kaufte er ihr eine Tüte Worcester-Sauce-Chips.
Rot vor Scham, Entsetzen und mörderischem Hass, konnte ich nicht zulassen, dass er mich sah. Ich steckte meine Worcester-Sauce-Chips wieder zurück in den groÃen Karton zu den anderen (wie sollte ich sie je wieder anfassen?) und drehte den beiden den Rücken zu. Ich glaube nicht, dass sie mich sahen, als sie den Laden verlieÃen, waren zu sehr miteinander beschäftigt, die Vollidioten. Und in der Zwischenzeit starrte und starrte ich auf die Zeitungen im Zeitungsständer, und nach einer Weile hatte ich mich wieder ein bisschen beruhigt und fragte mich, wer das braunhaarige Mädchen auf dem Foto war, das mit dem gestreiften T-Shirt und dem breiten Lächeln. Und weil ich neben Annette Norton auch noch Zeit totschlagen musste, nahm ich eine Zeitung und las die Geschichte.
Ich weiÃ, dass dies eine sehr umständliche und egozentrische Art ist, Dinge zu behalten, aber zumindest kann man mir zugutehalten, dass ich mich überhaupt erinnere. Ich erinnere mich, dass sie mir fast so leidtat wie ich selbst.
Das also war das erste der Mädchen. Sie brachten die Sache auf der ersten Seite, weil sie vermisst worden war, sie sie aufgefordert hatten, zurückzukommen, ihr Vater sie im Fernsehen darum gebeten hatte, sich zu melden. Es war also schon irgendwie eine Story, die allerdings bis dahin an mir vorbeigegangen war.
Wie sich jedoch herausstellte, hatte sie angeschafft. Was vieles erklärte. Es erklärte, warum sie noch so spät drauÃen gewesen war und warum sie in das Auto eines Fremden eingestiegen war. Jemand hatte sich gemeldet und gesagt, er habe gesehen, wie sie es tat, aber das war am Stadtrand, es gab dort keine Videoüberwachungsanlage, und es gab auch kein Beweisaufnahmeprotokoll. Ihr Vater weinte und sagte, er habe es nicht gewusst, aber sie habe es nicht verdient, sie habe dies nicht verdient.
Sie hatte eine Weile lang in einem Abflussgraben gelegen. Die Herbstblätter waren in Schichten von Rot und Gold und Braun auf sie herabgeweht, aber es hatte in jenem September viel geregnet, und der Graben war tief, sodass man sie erst fand, als der Bauer ihn sauber machte. Sie wüssten nicht, wer es getan habe, sagten sie, aber er war clever, weil das Wasser die Spuren vernichtet hatte. Oder vielleicht hatte er nur sehr, sehr viel Glück gehabt.
Vier
Tja, kleine Städte. Komisch, wie man sich plötzlich wünscht , jemandem in die Arme zu laufen, es aber doch nicht kann. Statt zu versuchen, Foley auszuweichen, sehnte ich mich jetzt nach ihm, doch nach diesem Mal im Streichelzoo sah ich ihn tagelang nicht. Dafür gab ich Mallory die Schuld. Das war besser, als sich die Alternative vorzustellen, die sich Tag für Tag in meine Gedanken einschlich: dass ich ihn missverstanden hatte, dass er sich in Wirklichkeit an diesem Tag mit mir gelangweilt und mich hatte loswerden wollen. Dennoch ging ich in Gedanken immer wieder jeden Augenblick durch, und ich konnte nicht vergessen, wie sein Körper, selbst nachdem der gruselige Pfau weg war, weiter an meinen gepresst blieb.
Ich klammerte mich an diese Erinnerung, versuchte, meine Nerven in den Griff zu bekommen, und spazierte hinüber zu seinem Haus. Ich hatte keine Chance, es wie einen Zufall aussehen zu lassen, denn das Haus der Foleys lag am Ende eines ausgefahrenen Weges, der nirgendwo anders hinführte. Es war ein Bungalow im Stil der 70er-Jahre mit einer Fassade aus Fake-Mauerwerk, aber sauber und gepflegt. Wenn man jedoch näher kam, konnte man sehen, dass die Türen mit tiefen Kratzspuren versehen waren, so als hätten sich die Bewohner gegen Werwölfe verbarrikadiert. Ich zögerte, eine Hand am Gartentor, jetzt sehr
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