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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Hause und bleib bei mir.«
    Sie lachte wieder. »Mach dir keine Sorgen um mich.« Sie nagte an ihrer Unterlippe und schloss ein Auge. »Hör zu, Ruby, es ist flockig. Es ist kein Problem.«
    Â»Klar ist es ein Problem.« Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Jinn, warum tust du das?«
    Â»Ruby, lass gut sein. Ich bin nicht in seinen Wagen eingestiegen. Weißt du, wenn man nicht ins Auto steigt, ist man sicher. Es ist leicht verdientes Geld und es ist sicher. Ich passe auf – habe alles unter Kontrolle.«
    Ich starrte sie an. Konnte nicht sprechen.
    Â»Tut mir leid, Ruby, tut mir leid. Aber die Dinge sind halt, wie sie sind.«
    Und dann schwieg sie. Ironie des Schicksals, denn dieses Mal tat ich genau das Gegenteil. Ich konnte nicht mehr schweigen, nachdem ich angefangen hatte.
    Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, was ich ihr entgegenschleuderte. Es war bestimmt nichts Schwesterliches. Ich konnte es nicht ertragen, wie sie dastand und es einfach hinnahm. Ich fand, das sollte sie nicht. Ich wollte, dass sie mich anbrüllte. Wollte, dass sie mich schlug. Ich wollte, dass sie in mein dummes Gesicht schlug und mich zur Vernunft brachte und mir erzählte, dass es eine optische Täuschung sei, eine Halluzination, ein Traum. Doch sie beobachtete mich nur, ihr Gesicht eine fahle Maske aus schlechtem Gewissen. Noch nie zuvor hatte ich diesen Gesichtsausdruck an ihr bemerkt, und ich kam zu dem Schluss, dass es etwas mit ihrem Aufzug und dem verdammten grellen roten Lippenstift zu tun hatte. Also stürmte ich auf sie zu und versuchte, die Farbe abzuwischen, das gesamte Make-up, ihren elenden Gesichtsausdruck, ja das ganze Gesicht.
    Ich schlug sie, bis mir die Arme wehtaten. Zum Glück befanden wir uns unterhalb der Mauer und niemand konnte uns sehen. Ich denke nicht, dass man viel hörte, aber da bin ich mir nicht ganz sicher. Ich glaube nicht, dass sie geschrien hat, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie auch nicht mehr anschrie, nicht nachdem ich angefangen hatte, ihr Gesicht zu malträtieren, sie zu schlagen und zu schubsen. Sie versuchte, sich etwas zu wehren, aber nicht wirklich. Ihre Wangen und meine Fäuste waren mit rotem Lippenstift beschmiert und ich hatte Strähnen ihrer schwarzen Perücke in der Hand. Als ich wieder zur Vernunft kam, entdeckte ich, dass die Perücke auf dem Boden lag wie eine Krähe, die heruntergefallen und verbrannt war. Jinn war wieder blond, doch ihr Haar hatte keine Silberfunken mehr, war stumpf und durch die Perücke platt gedrückt.
    Sie blinzelte mich an. Ihr Lippenstift war über das Kinn verschmiert, und ihre Mascara vermischte sich mit ihren Tränen, und ihr Ohr war rot und wund an der Stelle, wo ich es misshandelt hatte. Ich glaube, ich hatte sogar ihren Kiefer verletzt.
    Â»Es ist okay, Ruby«, sagte sie und rieb sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Sie war in Tränen aufgelöst, ließ sie fließen. »Es ist okay.«
    Mir fiel kein einziges Wort mehr ein. Meine Handflächen taten weh von den Schlägen, meine Knöchel vom Schubsen und meine Lungen vom Schreien.
    Â»Und es ist nur für eine Weile, weißt du. Bis Nathan wieder alles auf der Reihe hat.«
    Ich hätte ihr gern entgegengeschleudert, was sie war, aber ich brachte dieses Wort so wenig heraus wie irgendwelche anderen. Sie würde genauso enden wie jene anderen Mädchen, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienten. Diese Mädchen wie das eine, das man in dem Forellenteich gefunden hatte, das mit den Fischen schlief. Genau das geschah doch mit diesen Mädchen, oder? In billigen Krimis mit grellen Einbänden, in düsteren Miniserien, im wirklichen Leben. Sie wussten es, als sie damit anfingen, aber ich nehme an, sie taten es auch nur vorübergehend, bis sie wieder alles auf der Reihe hatten. Bis sie ermordet wurden.
    Â»Ruby, mach dir keine Sorgen um mich. Nichts wird passieren. Ich steige in keine Autos ein. Ich gehe nicht zu ihnen nach Hause. Ich bin wirklich vorsichtig.«
    Du kannst nie ganz sicher sein, hätte ich am liebsten gesagt, aber es wäre vergebliche Liebesmüh gewesen. Ich denke, sie glaubte, alles im Griff zu haben, und am sichersten war sie sich bei dem Bescheuertsten überhaupt.
    Â»Weißt du, ich habe keine Wahl.« Sie lächelte wie ein gefallener Engel und ihr roter verwundeter Mund erinnerte an einen Messerstich.
    Â»Ich liebe ihn, Ruby.«

Sechzehn
    Ich

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