Das fuenfte Maedchen
damit zu tun haben, hatte auch keine Lust auf den Streichelzoo. Erleichtert wandte ich mich ab und beschäftigte mich damit, die braunen Blüten von einem roten Rhododendron abzuzupfen.
Neulich hörte ich, wie jemand im Radio sagte, dass der Geist nicht durch das Gehirn eingeschränkt wird, dass er gewissermaÃen eine gröÃere Reichweite hat als das Sehen und der Geruchssinn. Er fühlt . Unser Geist kann die Hände ausstrecken und berühren, und er weià Dinge, die nicht körperlicher Art sind, er weià auch, wenn er von einem anderen Geist berührt wird.
»Deshalb«, sagte der Mann im Radio, »wissen wir, wenn wir beobachtet werden.«
Ich spürte in diesem Moment den Blick, der sich in meine Haut bohrte. Ich wollte mich nicht umdrehen, überhaupt nicht, aber das Gefühl lieà nicht nach, wie winzige Insekten, die mich stachen, und ich wusste genau, es gab nur eine Möglichkeit, dem ein Ende zu bereiten, nämlich mich umzudrehen, sodass der Betreffende, wer immer es auch sein mochte, verlegen den Blick abwenden würde.
Doch der Mann schaute nicht weg. Unsere Blicke trafen sich. Es musste ihn viel Willenskraft gekostet haben, den Blick nicht abzuwenden, schon allein reflexartig, doch offenbar war er so willensstark. Vielleicht das, oder es war ihm egal. Ich hielt seinem Blick so lange wie möglich stand, doch schlieÃlich war ich diejenige, die wegschaute.
Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Als ich einen erneuten Blick auf ihn riskierte, ging er gerade weg, und Foley tauchte aus dem Streichelzoo auf und zerrte Mallory hinter sich her.
»Ich habe Tom Jerrold gesehen«, platzte ich heraus.
»Ja?« Foley war immer noch damit beschäftigt, die widerspenstige Mallory zu bändigen. »Er lebt jetzt in Glassford.«
»Ich weiÃ. Aber er hat â¦Â« Ich zögerte. Was hatte er getan? Mich angeschaut? Oh, Gott steh mir bei. »Er hat mich nicht gegrüÃt.«
»Du hast doch nicht allen Ernstes angenommen, er würde es tun?«
»Nein«, gab ich zu. »Glaubst du, Alex hat es ihm gesagt? Was ich gesagt habe?«
Foley schwieg einen Moment lang. Er rieb sich die Nase und kratzte sich dann im Nacken. »Nun, ich denke, na ja â ich denke, es war ja allgemein bekannt.«
Ja. Natürlich war es das. Genug Leute hatten mich gehört. Das vergaà ich manchmal. Ich vergaà sogar Alex von Zeit zu Zeit, vergaÃ, dass es ihn je gegeben hatte oder immer noch gab. Ich vergaà das manchmal.
Ich vermute aber nicht, dass Tom Jerrold es je tat.
Fünfzehn
Gut, dass Foley nicht über Nacht geblieben war. Es wäre mir so peinlich gewesen. Es war schon so lange her, dass Jinn in unserem Haus gewesen war, dass ich ganz vergessen hatte, dass sie ja immer noch einen Schlüssel besaÃ. Ich hörte nicht, dass die Tür geöffnet wurde, denn ich putzte mir gerade die Zähne, doch dann hörte ich, wie sie zuschlug, und hätte mich fast auf der Zahnbürste aufgespieÃt.
Ich streckte den Kopf zur Badezimmertür heraus, von meiner Zahnbürste tropfte seitlich blaue Zahnpasta auf den Teppich.
Sie wirkte immer noch etwas eingeschnappt, und um ehrlich zu sein, war ich im Nachteil. Ich griff nach einem Handtuch und wischte mir die schäumende Zahnpasta vom Mund. »Hi.«
Wir sahen einander an, halb verlegen, halb argwöhnisch. SchlieÃlich lächelte sie.
»Ich will mir nur ein paar Sachen holen, okay?«
»Ja, klar. Willst du einen Kaffee?«
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, als hätte sie noch Unmengen an Verabredungen. »Ich kann nicht bleiben, Ruby. Ich muss gleich wieder weg.« Sie warf das Haar in den Nacken und lächelte. »Nächstes Mal.«
»Klar doch«, erwiderte ich, aber sie war bereits auf dem Weg zu ihrem alten Zimmer.
Gern hätte ich gewusst, was sie suchte. Sie schloss Schubladen und öffnete knarrende Schranktüren, aber ich wollte nicht im Flur herumlungern und meine Neugier allzu deutlich zeigen. Also ging ich in die Küche und machte mir einen Kaffee, den ich eigentlich gar nicht wollte. Dann lehnte ich mich an den Schrank und wartete. Ich hätte weggehen, sie sich selbst überlassen können, aber das kam mir irgendwie â nicht gastfreundlich vor. Was falsch und idiotisch war, denn es war ja auch ihr Haus.
Als sie die Küche betrat, trug sie eine Plastiktüte voller Kleidungsstücke. »Du hast doch
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