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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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musste mich mit ihr aussprechen. Ich musste es ein letztes Mal versuchen. An jenem Samstag arbeitete ich, doch am Sonntag schleppte ich mich zum Dunedin-Haus zurück. Dieses Mal stand ich nicht auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig; dieses Mal öffnete ich das Tor – ich musste heftig daran rütteln, und meine Hand war orangefarben vom Rost. Dann ging ich den Weg hoch. Mein Herz schlug zum Zerspringen. Ich drückte auf die Klingel.
    Ich hatte jede Menge Zeit, das Haus zu betrachten. Dunedin: Es hörte sich an wie eine mittelalterliche Festung oder wie etwas aus Mittelerde. Dunedin: das letzte gemütliche Heim der Crack-Kobolde. Ein viereckiges Gebäude aus Granit. Der Name stand in goldenen Buchstaben auf dem Halbkreis aus Glas über der holzgetäfelten Eingangstür. Das Gras breitete sich über die Treppe aus. Es überwucherte jetzt die Risse im Pflaster, und wenn man ihm keinen Einhalt gebot, würde es wahrscheinlich das ganze Haus überwuchern. Ich stellte mir Dunedin mit einer zerzausten Perücke aus verdorrendem Gras vor. Ein magisches Haus. Wenn ich ein Stück von dem abbröckelnden Fenstersims abbrechen würde, würde es vielleicht nach Kokosnusseis schmecken.
    Oh Mann, hör mir nur zu. Ich brauchte wirklich keine Drogen.
    Ich drückte erneut auf die Klingel, trat dieses Mal näher heran und runzelte die Stirn. Mich fröstelte. Vielleicht waren sie alle tot. Doch das war unwahrscheinlich, nicht alle auf einmal. Vielleicht waren sie also einfach auf dem Rückweg von einer Parallelwelt. Ich musste ihnen eine Minute Zeit lassen, durch das Portal zu kommen.
    Etwas Prosaischeres kam mir in den Sinn. Ich ballte eine Faust und zögerte kurz. Ich konnte kehrtmachen und mich zurückziehen. Mein rasender Herzschlag drängte mich, genau das zu tun. Vielleicht war die nicht funktionierende Klingel ein Omen.
    Ich ballte die Faust noch fester, holte tief Luft und hämmerte zweimal gegen die Tür.
    Sie flog nicht auf, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nach ungefähr dreißig Sekunden öffnete sie sich einen Spalt breit, dann ging sie weiter auf.
    Nathan Baird sagte kein Wort. Er beobachtete mich lediglich, und ich ihn. Er kaute an seiner Unterlippe, die durch diese Gewohnheit schon ganz wund aussah. Er sah totenblass aus, ein Unterwelt-Kobold, der nie das Tageslicht sah, oder eventuell ein Ringgeist. Er hätte ein Gewand mit Kapuze tragen sollen. Stattdessen trug er ein T-Shirt lose über schwarzen Jeans und er war barfuß. Ich kannte dieses T-Shirt mit dem Batman-Logo, das jetzt noch verblasster und verschlissener war. Ich vermute, es war eine Ewigkeit nicht mehr gewaschen worden, denn es klebte an seinen dünnen Muskeln, und Schweiß drang mir in die Nase, alles vermischt mit diesem Crack-Geruch, den ich nicht gewohnt war. Das Haar fiel ihm ins Gesicht, wie das wuchernde Gras im Freien. Er hob die Hand und strich es zurück. Das gab seine ausgeprägten Wangenknochen frei sowie die wunderschönen grauen Augen. Da ich ihn nicht anstarren wollte, senkte ich den Blick auf seine Füße. Sie hatten langgliedrige Zehen und wirkten elegant.
    Ich hatte wieder dieses seltsame Gefühl. Ich war nicht scharf auf ihn – Allmächtiger, nein –, aber ich konnte sehr gut verstehen, warum Jinn es war. Er roch einfach nach Sex. Nach Schweiß, Crack und Zigarettenrauch, aber vor allem nach Sex. Ich war froh, dass ich mich nicht in ihn verliebt hatte. Doch gleichzeitig wünschte ich mir, ich hätte es doch getan, denn dann wäre es nicht Jinn gewesen.
    Er bedachte mich mit einem feindseligen Lächeln, wobei sich kleine Fältchen um seine Augenwinkel bildeten. »Ruby Red.«
    Â»Ist Jinn da?«, blaffte ich.
    Â»Nee.«
    Ich rieb mir die Arme und ließ sie dann, verärgert über mich selbst, an den Seiten herabhängen. »Wann kommt sie zurück?«
    Er hob eine Schulter. Seine Augen waren umwölkt. »Willste reinkommen? Du kannst hier warten.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Ruby Red, wir fressen dich nicht auf.«
    Ach ja?, dachte ich. Du hast sie gefressen.
    Ich verdrängte meinen Hass, schluckte ihn herunter und sagte: »Willst du zurückkommen?«
    Warum sagte ich das? Es strömte einfach aus mir heraus, so als sei der Mount St. Ruby wieder mal ausgebrochen. Vielleicht explodieren meine Worte, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, weil ich sie sonst so stark unter Kontrolle halte.

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