Das fuenfte Maedchen
um sie als Souvenir zu behalten? »Geh weg.«
»Ruby, lass mich rein.«
Kleines Schwein, kleines Schwein . »Nein.«
Die Tür erzitterte unter seiner Faust. Ich konnte den Blick nicht abwenden. Ich wollte der Tür den Rücken kehren, aber vielleicht kam dann seine Faust hindurch. Wie in Shining .
Endlich hörte das Hämmern auf. Stille, nur mein Atem war zu hören. Und seiner. Ich kauerte mich an die Wand, konnte aber meine Augen nicht von dieser Tür wenden.
»Ruby, tut mir leid. Ich wollte nur â¦Â«
»Nein.«
»Bitte, mach auf. Bitte.«
»Nein.«
»Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich will nur ⦠ich vermisse sie einfach. Ruby.«
»Geh weg.«
»Ich wollte dich nicht erschrecken.«
Zu spät, Junge, viel zu spät . Was tat ich denn da? Warum saà ich hier? Mein Handy. Mein Handy. Ich saà hier in Unterhosen und einem T-Shirt und hatte nicht einmal mein Handy bei mir.
Ich warf einen Blick zum Wohnzimmer, doch dass ich den Blick von der Tür abwandte, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, lieà mich vor Angst erstarren. Mein Handy steckte zwischen den Sofakissen.
Ich konnte aufstehen. Ich konnte rennen und es in ein paar Sekunden in der Hand halten.
Doch ich stand nicht auf.
Es würde mich umbringen. Er würde in der Zeit, in der ich mein Handy holte, nicht durch die Tür kommen.
Es könnte mich vielleicht umbringen.
Ich konnte doch den Blick fünf Sekunden lang von dieser Tür abwenden, verdammt noch mal.
Nein. Konnte ich nicht.
Ich presste mich noch enger an die Wand, hätte am liebsten über meine Feigheit geheult. Ich konnte der Tür nicht den Rücken kehren. Was wäre, wenn das Handy verloren gegangen war? Wenn es hinter das Sofa gefallen war? Was, wenn ich alle Kissen vom Sofa fegen musste? Wie lange würde das dauern?
»Ruby, ich brauche einen Ort, wo ich bleiben kann. Bitte.«
Oh, als ob â¦
»Es ist kalt. Nur für eine Nacht. Ich hole mir ihre Kette und zisch morgen früh wieder ab. Bitte. Tut mir leid, Ruby. Mir tut alles leid. Es tut mir leid, dass ich mich nicht um sie gekümmert habe. Ich habe sie geliebt und du weiÃt es. Bitte, Ruby. Es tut mir leid, aber lass mich bitte rein.«
Er machte wohl Scherze, oder?
»Ruby! Ruby!« Seine Schreie verwandelten sich in ärgerliches Schluchzen.
Ich wollte nicht, dass seine Stimme ruhiger wurde. Ich wollte, dass der Griesgrämige Alte Saftsack von nebenan ihn hörte, herauskäme, um zu schauen, was hier los war. Er sollte die Bullen rufen.
Keine Chance. Ein Frösteln durchlief mich von Kopf bis FuÃ.
Bitte, dachte ich. Bitte, lass es Morgen werden. Meine Haut, mein Herz, mein Inneres, alles war so kalt.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Drei Uhr? Noch fünf Stunden bis zum Morgen. G.A.S . stand vielleicht schon in vier Stunden auf. Nathan konnte die Tür aufbrechen und ich konnte in vier Stunden tot sein.
»Ruby, es ist hier drauÃen so kalt. Bitte. Ich brauche einen Platz zum Schlafen.«
Ich legte die Hände über die Ohren.
»Ruby? Mir ist kalt.«
Ihr auch .
Seine Stimme klang jetzt viel ruhiger. Er hatte sich wohl hingekauert, die Arme um den Leib geschlungen, eng an die Tür gepresst, denn ich spürte seine Stimme fast in meinem Ohr.
»Ruby. Warum lässt du mich nicht ins Haus?«
Sonst blase ich und puste ich â¦
»Ruby. Es ist kalt. Mir ist so kalt.«
ÃuÃerst behutsam legte ich den Kopf an die Tür. Unsere Köpfe müssen sich fast berührt haben. Wenn er erneut gegen die Tür hämmerte, kam ich vielleicht vor Angst um, aber er tat es nicht. Er wimmerte. Ich starrte angestrengt auf das bemalte Sperrholz, wünschte mir, ich könnte hindurchsehen, war froh, dass ich es nicht konnte.
»Ruby, tut mir leid.«
Ich legte den Kopf schief. Seine Stimme war ein mitleiderregendes Gemurmel.
»Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich mich nicht um sie gekümmert habe. Bitte, lass mich ins Haus. Ich weià nicht, wohin ich gehen soll. Mir ist so kalt. Bitte.«
»Nein«, erwiderte ich, dieses Mal recht sanft. Meine Lippen waren schlieÃlich fast an seinem Ohr. Und ich beschloss, nicht mehr mit ihm zu reden.
»Kalt, Ruby.«
»Bitte, Ruby.«
»Lass mich rein. Ruby?«
Die Bitten kamen seltener, doch ich hörte sie noch immer. Ich hörte sie wie in einem Traum, und vielleicht waren sie ein Traum,
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