Das fuenfte Maedchen
restlichen Kleidungsstücke ausziehen konnten, unbemerkt von den geisterhaften Augen, die uns beobachteten.
Fünfundzwanzig
Foley sah mich nicht mehr an, sondern starrte auf meine rechte Schulter und strich mit einem Finger darüber, immer wieder. Ich verhakelte meine Zehen mit seinen. Ich strich ihm eine Haarsträhne hinters Ohr, doch sie war widerspenstig und löste sich wieder. Was mir als Vorwand diente, sein Ohr erneut zu berühren. Er zitterte leicht.
»Mir ist ein bisschen unwohl dabei, dich allein zu lassen«, sagte er.
Etwas unwohl? Das reichte nicht, bei Weitem nicht.
»Es ist kalt drauÃen«, bemerkte ich.
»Ich weiÃ, aber ich muss gehen.«
»Ist schon okay.«
»Wenn du allein bist? Sicher?«
Warum hatten die Leute das Bedürfnis, mir das immer unter die Nase zu reiben? Die Wahrheit war, dass ich von dem Gedanken an Jinn verfolgt wurde. Aber das wäre erträglich, wenn die Leute nicht immer wieder davon anfingen, ich solle keine Angst haben. Ich hatte ja schlieÃlich keine Angst vor Jinn, das wäre ja idiotisch.
»Es ist nur â ich muss morgen früh Mallory zur Schule bringen.«
»Geht in Ordnung.«
»Mum und Dad wollen mal wieder zu einer Hundeausstellung, wie üblich frühmorgens. Wenn sie losfahren, schläft Mallory noch. Ich muss sie wecken.«
»Beruhige dich«, sagte ich. »Mir gehtâs gut.«
Er löste sich von mir und der Bettdecke, lieà sich aus dem Bett rollen und suchte nach seinen Kleidern. Meine Zehen fühlten sich leer und kalt an. Ich war schon seit einer Ewigkeit in diesem Haus allein gewesen. Es war jetzt nicht anders, war es nicht. Jinn war zuvor nicht tot gewesen, das war alles. Ich schlängelte mich unter die Bettdecke, fand mein Top und meine Hose und zwängte mich hinein. Was nichts mit Sittsamkeit zu tun hatte. Ich fühlte mich weniger verletzlich; das war alles.
»Bist du wirklich okay?«
Ich zog die Decke vom Gesicht und öffnete die Augen. Er stand vor meinem Bett, wieder unbeholfen.
War ich es? Ja, ich war okay. Der Kummer hatte sich in meine Brust und meinen Magen verlagert, aber es war ein diffuser Schmerz, nichts, worüber ich weinen konnte.
Seufzend kletterte ich aus dem Bett und küsste Foley brüsk. Dann änderte ich meine Meinung. Ich zog ihn wieder an mich und küsste ihn langsam.
»Ich muss jetzt wirklich gehen.« Er klang, als habe er tiefe Schuldgefühle. Oh Gott.
»Verpiss dich.« Ich schob ihn sanft zur Tür. »Tschüss.«
Als Foley die Tür öffnete, strömte ein Schwall kalte Nachtluft herein. Foley zögerte, wandte sich nach mir um. Ich lehnte an der Tür, um sie zu schlieÃen. Ich lächelte in sein schuldbewusstes Gesicht. Ich verlieà ja nicht ihn, sondern er mich, und er sollte ruhig dafür büÃen, überlegte ich heiter.
Als die Tür schlieÃlich ins Schloss fiel, wurde ich erneut von Stille und Leere umgeben. Der Schmerz in meinem Körper hatte sich in einem Moment zusammengeballt und gleichzeitig jede Pore erfüllt. Meine Haut war wie elektrisiert und ich konnte die Augen nicht schlieÃen. Ich hatte das Gefühl, ich sollte weinen, als ob ich es mir wünschte zu weinen, doch es war noch immer nicht möglich. Etwas in mir verlangte danach, herausgelassen zu werden, doch ich konnte nichts tun, um es freizulassen. Und trotzdem war ich innerlich ausgebrannt, verletzlich und der Nacht ausgesetzt. Weinen? Schlafen? Das kann nicht dein Ernst sein.
Das Haus war ein Vakuum. Natürlich war Jinn nicht da: Kein Geist huschte hier herum, kaum mein eigener. Das war ein noch erschreckenderer Gedanke, als ob ich mich verflüchtigen könnte, ohne dass mich ihr Geist hier festhielte; also machte ich mich auf die Suche nach ihr.
Seit ihrem Tod hatte ich in ihrem Zimmer nichts mehr angerührt. Natürlich war ich davor häufig dort gewesen, hatte mir ihr Zeugs geliehen und gelegentlich auch meine Sachen bei ihr untergebracht. Doch ansonsten hatte ich es im Prinzip so gelassen, wie es war, denn ich hoffte ja immer, dass sie zurückkommen würde.
Ich verspürte jetzt das Verlangen, die Türen ihrer Kleiderschränke zu öffnen und in ihren Kleidern zu wühlen, mein Gesicht in ihrem alten Garten-T-Shirt zu vergraben, das mit Strass besetzt war, wie alle T-Shirts von Jinn. Sie war jetzt schon lange weg und von diesem T-Shirt am längsten getrennt, doch es roch immer
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