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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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denn die Erschöpfung überwältigte mich jetzt, erstickte sogar die Angst. Ich schlief ein und wachte wieder auf, dort in der Diele, an die Tür gepresst, nah genug für Nathan, um mich umzubringen.
    Nur dass da die Tür noch zwischen uns war.
    Â»Oh, Ruby. Öffne die Tür, Ruby.«
    Ich denke, das war das letzte Mal. Ich hörte keine weiteren Bitten, es sei denn, ich hörte sie im Traum. Als ich wieder erwachte, lag ich zusammengerollt auf dem Boden, den Kopf gegen die Tür gepresst, und war bis auf die Knochen durchgefroren.
    Ich zitterte wie Espenlaub. Ich vergaß Nathan kurzfristig und krabbelte zu meinem Schlafzimmer, wo ich Jeans, einen dünnen Pullover und einen dicken Pullover und Wollsocken zusammensuchte. Selbst als ich damit fertig war und mich an ihn erinnerte, hatte ich keine Angst, denn ich wusste, dass er gegangen sein musste. Die Tür war nicht geöffnet worden. Und durch die dünnen Vorhänge stahl sich ein vages Winterlicht. Der Tod kam nicht im Tageslicht. Er war gegangen.
    Gerade als ich das dachte, hörte ich, wie sich die Nachtstromheizung einschaltete. Ich rollte mich in meinem Bett zusammen, umfasste unter der Bettdecke meine Knie und wartete darauf, dass sich das Haus schnell erwärmte, wie es immer der Fall war. Schließlich fröstelte ich nicht mehr, und nach einer Ewigkeit war mir warm genug, dass ich die Bettdecke abwarf und mich aufsetzte.
    Ich holte mein Handy. Es steckte in dem Zwischenraum zwischen den Sitzkissen. Gestern Nacht hätte ich es mir schnappen und ganz schnell die Polizei rufen können. Ich Idiotin.
    Wie auch immer. Es war alles in Ordnung. Nichts war passiert. Mir ging’s gut.
    Ich hielt das Handy in der Hand. Ich sollte aber trotzdem jetzt die Polizei anrufen. Nathan Baird war zurückgekehrt. Er war wieder aufgetaucht und die Polizei würde ihn jetzt mühelos finden.
    Ich starrte zur Tür. Nach dem gestrigen Abend sah sie so bedrohlich aus wie ein Grabstein.
    Meine Hand zitterte, als ich sie ausstreckte und behutsam den Riegel löste. Genauso vorsichtig betätigte ich das Yale-Schloss, drehte den Griff um. Ich hielt die Luft an, als ich die Tür geräuschlos öffnete.
    Nichts. Nicht einmal eine Einbeulung auf der ausgefransten Matte, nicht einmal der Geruch von Schweiß und Crack. Vielleicht war er nur ein Traum gewesen. Die Luft auf meinen Lippen und in meinen Nasenflügeln war bitterkalt, aber ich atmete tief ein und trat vor die Tür. Durch meine Socken drang die Kälte der Stufen und Gehwegplatten an meine Sohlen, doch ich ging weiter, setzte einen Fuß vor den anderen. Ich hielt das Handy in meinen zitternden Händen, aber ich hatte es fast vergessen. So gelangte ich zur Ecke des Hauses, wo der steinerne Wasserspeier vorwurfsvoll zu mir hochblickte. Fast hätte ich den Finger auf die Lippen gelegt. Ich stützte mich mit einer Hand auf die graue raue Mauer, als ich um die Ecke bog.
    Auf den ersten Blick sah ich nichts. Lediglich aufgetürmte Reifen und eine alte Decke. Sie war nicht mehr mit Ziegelsteinen beschwert, sondern hüllte etwas ein. Ich überlegte, weshalb ich keine Angst hatte, trat näher und berührte die Decke. Sie war starr von Frost, der so schwer war wie Schnee, und an der Stelle, an der ich sie anhob, am starrsten. Nathan blickte mir entgegen, die Augen halb geschlossen, die Lippen blau. Sein strähniges Haar war mit Frost überzogen.
    Ich schlug die gefrorene Decke zurück und legte sie ihm um den Hals. Dann setzte ich mich auf die Plastikbank und betrachtete ihn.
    Hatte ich erwartet, dass er sich rührte, wie in einem schlechten Horrorfilm? Es sah aus, als schlafe er, vergraben unter der Decke, nur dass sein Atem nicht die kühle Luft trübte und sein Brustkorb sich nicht hob und senkte und seine Haut so ungeheuer wächsern war, so blau angelaufen. Die halb geschlossenen Augen blinzelten nicht und seine grauen Pupillen blickten in die Ferne.
    Doch ich wollte mich nicht von ihm abwenden. Es war wie gestern Abend, doch ein bisschen anders. Als ich zögerte und fröstelte, dachte ich darüber nach, was die Leute sagten: Erfrieren ist gar nicht so schlimm. Wenn die Kälte tief genug eingedrungen ist, fühlt man sich warm, möchte nur noch schlafen.
    Ich dachte auch über andere Dinge nach. Ich dachte an Fliegen in Bernstein, in einem Schuhkarton, zusammengehalten mit einem blauen Band, in einem sicheren Haus.
    Ich dachte über

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