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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Freund keine Zicken machte: Eine falsche Bewegung - und peng! wäre seine Freundin erledigt. Und was die Taschenlampe betrifft: Man darf wohl davon ausgehen, daß er eine hatte: Irgendwie muß er sich ja orientiert haben.«
    »Wie konnte er gleichzeitig eine Waffe, eine Taschenlampe und das Mädchen festhalten?« fragte ich.
    »Kein Problem. Soll ich's Ihnen zeigen?«
    »Nicht unbedingt.« Ich wich zurück, als er die Hand ausstreckte.
    »Ich wollte nur Ihren Rechen borgen, Doc - seien Sie doch nicht so schreckhaft.«
    Er gab mir den Metalldetektor und ich ihm den Rechen. »Deborah ist der Rechen - okay? Ich lege den linken Arm um ihren Hals, in der linken Hand halte ich die Taschenlampe. So. Er demonstrierte es. »In der rechten Hand habe ich die Waffe, die ich ihr gegen die Rippen drücke. Ganz einfach. Und Fred geht voraus.« Marino hielt inne und dachte nach. »Sehr schnell sind sie auf diese Weise allerdings nicht vorangekommen«, sagte er dann.
    »Vor allem, wenn die beiden jungen Leute barfuß waren«, ergänzte ich.
    »Richtig - und ich glaube, das waren sie. Wenn sie hierher laufen mußten, konnte er ihnen nicht die Füße zusammenbinden - aber wenn er ihnen Schuhe und Strümpfe abnahm, zwang er sie, sich langsam zu bewegen. Vielleicht hat er nach dem Mord die Sachen als Souvenirs behalten.«
    »Möglich.« Deborahs Handtasche fiel mir ein. »Wenn Deborahs Hände auf dem Rücken gefesselt waren - wie kam dann ihre Tasche hierher? Sie hat keinen Schulterriemen und auch keine Schlaufe für den Gürtel - im übrigen trug Deborah keinen Gürtel. Und weshalb sollte jemand, den man mit Waffengewalt in den Wald verschleppt, seine Handtasche mitnehmen?«
    »Eine gute Frage. Das hat mich von Anfang an irritiert.«
    »Machen wir weiter«, forderte ich ihn auf.
    Als wir wieder bei der Lichtung ankamen, war die Sonne hinter Wolken verschwunden und ein kalter Wind aufgekommen, der den Eindruck entstehen ließ, daß die Temperatur innerhalb von Sekunden um zehn Grad gesunken sei. Meine durchgeschwitzten Kleider unter dem Mantel wurden kalt, die Muskeln in meinen Unterarmen schmerzten vom Rechen. Am Rand der Lichtung, der dem Pfad gegenüberlag, begann ein Dickicht, von dem ich annahm, daß es sogar Jägern zu undurchdringlich wäre. Die Polizei war mit Schaufeln und Sieben etwa drei Meter weit vorgedrungen - und dann auf ein Gewirr von Ranken wilder Erbsen gestoßen: Kudzu. Die Bäume, die das Schlinggewächs überwuchert hatte, sahen aus wie Dinosaurier, die sich aus einem grünen Meer erhoben. Jede Pflanze hier wurde langsam stranguliert.
    »Grundgütiger«, stöhnte Marino, als ich mit dem Rechen darauf zusteuerte. »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    »Wir gehen nicht weit«, versprach ich.
    Brauchten wir auch nicht: Nach wenigen Schritten piepste der Metalldetektor. Der Ton wurde höher und. schriller, als Marino das Gerät über ein Areal schwenkte, das weniger als fünf Meter von der Fundstelle der Leichen entfernt lag. Ich stellte fest, daß das Durchrechen von Kudzu noch schwieriger war als das Kämmen verfilzter Haare, und ging nach kurzer Zeit auf Hände und Knie hinunter, riß die Ranken weg und tastete über den Boden, bis meine durch OP-Handschuhe geschützten Finger etwas Hartes, Kaltes fühlten. Aber: Ich hatte wieder eine Niete gezogen. »Heben Sie ihn für die Mautstation auf«, empfahl ich Marino und warf ihm enttäuscht den verdreckten Vierteldollar zu. Doch ein Stück weiter piepste der Detektor erneut - und diesmal hatte ich den Hauptgewinn erwischt: Als ich die Kudzuranken beiseite zerrte, sah ich rostfreien Stahl schimmern - eine Patronenhülse, die glänzte wie poliertes Silber. Vorsichtig nahm ich sie zwischen die Finger, um keine etwaigen Spuren zu verwischen. Marino beugte sich herunter und hielt mir einen offenen Plastikbeutel hin.
    »Neun Millimeter, Federal«, las er mir durch die Hülle vor. »Nicht zu fassen!«
    »Er stand ungefähr hier, als er auf sie schoß«, murmelte ich. Es schauderte mich, als ich mich daran erinnerte, daß Hilda gesagt hatte, sie sähe Enge und etwas, das nach Deborah greife. Kudzu!
    »Wenn der Schuß aus geringer Entfernung kam«, überlegte Marino laut, »dann ist sie nicht weit von hier zusammengebrochen.« Ich drang noch etwas tiefer in die Wildnis vor, und er folgte mir mit dem Metalldetektor. »Wie zum Teufel hat er gesehen, wo er hinschoß, Marino?« fragte ich. »Können Sie sich diesen Ort bei Dunkelheit vorstellen?«
    »Wir haben ihn doch mit einer Taschenlampe

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