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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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lassen?«
    Belustigt registrierte ich, daß Marino die Aussagen der Hellseherin offensichtlich viel ernster nahm, als er sich eingestehen wollte.
    »Da ist was dran«, nickte ich. Die ersten Kaffeetropfen liefen durch.
    »Ich finde, wir sollten noch mal rausfahren und uns ein bißchen umsehen. Was meinen Sie dazu?«
    »Die Idee ist mir auch gerade gekommen«, sagte ich.

8
    Im Licht des sonnigen Nachmittags wirkte der Wald nicht so unheilschwanger - bis Marino und ich uns der Lichtung näherten: Noch immer hing schwach der süßliche Geruch verwesenden Fleisches in der Luft. Kiefernzweige und Blätter waren beiseite geräumt und durch das Sieben der Erde kleine Hügel entstanden. Es würde einiger Zeit und schwerer Regenfälle bedürfen, bis hier nichts mehr an die Morde erinnerte.
    Marino hatte einen Metalldetektor dabei und ich einen Rechen. Er zog seine Zigaretten aus der Tasche und schaute sich um. »Es hat sicher keinen Sinn, hier zu suchen - die Lichtung ist hinreichend abgegrast«, meinte er.
    »Der Weg hierher ist bestimmt auch gründlich untersucht worden«, sagte ich mit einem Blick auf den Trampelpfad, auf dem wir gekommen waren.
    »Nicht unbedingt«, widersprach er. »Als die beiden jungen Leute letztes Jahr hierhergebracht wurden, existierte er noch nicht.« Erst jetzt erinnerte ich mich daran, wie unwegsam das Gelände bei meinem ersten Besuch gewesen war. Der Pfad war erst durch das ständige Hin und Her der Polizei und anderer an der Untersuchung Beteiligter entstanden.
    Marino ließ den Blick über die Bäume wandern und fügte hinzu: »Wir wissen noch nicht einmal, wo sie geparkt haben, Doc - aber es bietet sich die Annahme an, daß sie den Wagen auf dem Holzweg abstellten und so ziemlich denselben Weg nahmen wie wir. Es hängt davon ab, ob der Killer tatsächlich auf diese Lichtung zusteuerte.«
    »Ich habe das Gefühl, er wußte genau, wohin er wollte«, antwortete ich. »Es ist doch schwer vorstellbar, daß er rein zufällig in den Holzweg einbog und schließlich hier landete, nachdem er mit den beiden ziellos durch den Wald geirrt war.«
    Achselzuckend schaltete Marino den Metalldetektor ein. »Kann nicht schaden, nachzusehen.«
    Wir begannen am Rand der Lichtung und arbeiteten uns langsam den Weg entlang, wobei wir einen Teil des Unterholzes und der Blätter auf beiden Seiten in die Überprüfung einbezogen. Fast zwei Stunden lang hatten wir jede Öffnung zwischen den Bäumen und im Unterholz untersucht, durch die möglicherweise Menschen gekommen sein konnten, bevor unsere Bemühungen bei dem ersten Hochfrequenzton des Metalldetektors mit einer alten Bierdose und bei dem zweiten mit einem rostigen Flaschenöffner belohnt wurden. Der dritte Alarm erfolgte erst, als wir den Waldrand erreichten: Diesmal war der Grund die Patronenhülse eines Gewehrs. Das ehemals leuchtende Rot war im Laufe von Jahren verblaßt.
    Ich lehnte mich auf meinen Rechen und schaute niedergeschlagen den Pfad hinunter. Hilda hatte etwas von einem anderen Ort gesagt, an dem der Mörder mit Deborah gewesen sein könnte - und sie hatte die Möglichkeit offengelassen, daß dieser Ort ganz in der Nähe sei. Ich rief mir die Lichtung mit den Leichen in Erinnerung. Zuerst hatte ich gedacht, daß Deborah, falls sie sich losgerissen hatte, dies vielleicht auf dem Weg zur Lichtung getan haben könnte - aber wenn die Neun-Millimeter-Hülse noch an Ort und Stelle lag, dann war es woanders passiert.
    »Spielen wir's mal durch«, schlug ich vor.
    »Okay - ich höre.« Marino wischte sich mit dem Mantelärmel über die feuchte Stirn.
    »Wenn Sie der Mörder wären und hätten zwei Menschen entführt und dann gezwungen, mit Ihnen in den Wald zu gehen - wen würden Sie zuerst töten?«
    »Der junge dürfte das größere Risiko darstellen«, antwortete er ohne Zögern. »Also würde ich erst ihn erledigen und mir das Mädchen für später aufheben.«
    Wie konnte jemand zwei Gefangene bei Dunkelheit durch einen dichten Wald treiben? Hatte der Mann eine Taschenlampe dabei - oder kannte er die Gegend so gut, daß er sich auch mit verbundenen Augen zurechtgefunden hätte? Ich formulierte diese Fragen laut.
    »Das hat mich auch beschäftigt«, eröffnete er mir. »Und ich habe eine Theorie: Wahrscheinlich hat er ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt. An seiner Stelle hätte ich das Mädchen von hinten festgehalten und vor mir hergeschoben und ihr den Lauf meiner Waffe in die Rippen gebohrt. Damit hätte ich die Garantie gehabt, daß ihr

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