Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
ich abwimmeln ließ.«
    »Nun - er vertritt die Ansicht, daß eine Verschleierung inszeniert wird, eine Verschwörung besteht. Aus der Art seiner Fragen ist zu entnehmen, daß er über Informationen verfügt, die diese Theorie untermauern.«
    Merkwürdig, dachte ich: Das klingt nicht so, als habe die Post die Nachforschungen in diesem Fall eingestellt, wie Abby mir so erbost berichtet hatte.
    »Er hat den Eindruck«, fuhr der Commissioner fort, »daß Ihr Büro mauert und demnach an der sogenannten Verschwörung beteiligt ist.«
    »Ich teile seinen Eindruck.« Ich hatte Mühe, meinen Zorn zu unterdrücken. »Und damit sitze ich zwischen zwei Stühlen. Ich habe die Wahl, entweder Pat Harvey vor den Kopf zu stoßen oder das Justizministerium - und ich würde es offengestanden vorziehen, Mrs. Harveys Forderung zu entsprechen. Irgendwann muß ich sie ohnehin informieren. Sie hat Anspruch darauf. Und ich bin nicht verpflichtet, vor dem FBI zu kuschen.«
    »Es liegt absolut nicht in meinem Interesse, mich mit dem Justizministerium anzulegen«, sagte Dr. Sessions. Er brauchte nicht näher auszuführen, weshalb: Ein wesentlicher Teil seines Budgets stammte aus Bundeszuschüssen, von denen einige bis in mein Büro durchsickerten - als Subvention für die Datensammlung, die von verschiedenen Unfallverhütungs- und Verkehrssicherheitsämtem in Anspruch genommen wurde. Das Justizministerium wußte sich durchzusetzen: Wenn wir uns gegen die Bundesbehörde stellten, konnten wir unseren Kopf darauf wetten, daß uns das Leben schwergemacht würde - falls man uns den Hahn nicht gänzlich zudrehte. Das letzte, was der Commissioner wollte, war, über jeden Bleistift und Block Rechenschaft ablegen zu müssen, die von dem Zuschuß gekauft wurden. Man würde uns jeden Cent nachrechnen und uns in einer Papierflut ersäufen.
    Dr. Sessions streckte den heilen Arm aus, nahm den Brief auf und starrte nachdenklich darauf hinunter. Dann sagte er: »Ich fürchte, wir haben keine andere Möglichkeit, als Mrs. Harvey ihre Drohung wahr machen zu lassen.«
    »Wenn sie einen Gerichtsbeschluß erwirkt, muß ich ihr geben, was sie verlangt.«
    »Das ist mir klar - aber in dem Fall kann das FBI uns nicht dafür verantwortlich machen. Das ist der Vorteil. Der Nachteil wird in negativer Publicity bestehen«, dachte er laut. »Ganz sicher wird es kein gutes Licht auf das Department of Health and Human Services werfen, wenn bekannt wird, daß wir von einem Richter gezwungen wurden, Mrs. Harvey auszuhändigen, worauf sie ein gesetzlich verankertes Recht hat. Und den Verdacht unseres Freundes Ring kann es nur erhärten.«
    Der Normalbürger weiß nicht, daß der Medical Examiner zum Department of Health and Human Services gehört. Ich war diejenige, auf die ein schlechtes Licht fallen würde: In guter Bürokratenmanier warf der Commissioner mich den Wölfen zum Fraß vor - dann hatte ich dem Justizministerium gegenüber den Schwarzen Peter und nicht er.
    »Natürlich«, fuhr er fort, »wird man Mrs. Harvey unangemessene Härte und Amtsmißbrauch vorwerfen. Vielleicht blufft sie ja nur.«
    »Das bezweifle ich entschieden.«
    »Wir werden sehen.« Er stand auf, um mich zur Tür zu bringen. »Ich werde Mrs. Harvey schreiben und ihr mitteilen, daß Sie und ich uns unterhalten haben.«
    Nach der Seite wollte er sich also auch absichern: Er würde es so hinstellen, als habe er alles versucht, um mich zu veranlassen, ihr das Gewünschte zu schicken, jedoch nichts erreichen können. Er lächelte an mir vorbei. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie Hilfe brauchen.«
    Das war der schiere Hohn! Was mich betraf, hätte er auch zwei gebrochene Arme haben können: Er würde keinen Finger für mich rühren!
    Als ich ins Büro zurückkam, fragte ich in der Telefonzentrale und bei Rose nach, ob ihnen ein Reporter der Post namens Clifford Ring ein Begriff sei. Nachdem sie ihre Notizen und ihre Gedächtnisse durchforstet hatten, kamen sie zu dem Ergebnis, daß kein Clifford Ring angerufen habe. Wie konnte er mich beschuldigen, zu mauern, wenn er nie versucht hatte, mich zu erreichen? Die Geschichte wurde immer seltsamer.
    »Ach, übrigens« , hielt Rose mich auf, als ich zum Lift gehen wollte. »Linda hat Sie gesucht. Sie sagte, sie brauche Sie dringend.«
    Linda war Schußwaffenexpertin. Marino muß die Patronenhülse gebracht haben, dachte ich. Ausgezeichnet.
    Das Labor befand sich im zweiten Stock und hätte jederzeit als Laden für Gebrauchtwaffen durchgehen können.

Weitere Kostenlose Bücher