Das fünfte Paar
war er abhängig von ihr, andererseits haßte er sie wahrscheinlich.«
»Nach welchen Gesichtspunkten hat er seine Opfer ausgewählt?«
»Die Morde waren Racheakte: Die Pärchen mußten dafür büßen, daß er beziehungsunfähig war und keinen Erfolg bei Frauen hatte - also vernichtete er, was er nicht haben konnte.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Wenn Sie und Abby ihm damals nicht auf dem Parkplatz in Williamsburg begegnet und Sie der Sache nicht nachgegangen wären, wären wir vielleicht nie auf ihn gekommen. Es ist schon faszinierend, wie so etwas funktioniert: Mancher langgesuchte Verbrecher wird zufällig gefaßt, weil das Rücklicht an seinem Wagen kaputt ist, ein anderes Mal wird jemandem ein Strafzettel wegen Falschparkens zum Verhängnis. Reines Glück. Wir hatten Glück.«
Abby hatte kein Glück gehabt - und ich fühlte mich alles andere als glücklich.
»Man sollte es nicht für möglich halten«, fuhr er fort. »Seit die Sache in den Nachrichten kam, sind jede Menge Anrufe von Leuten eingegangen, die behaupten, Spurrier habe sich ihnen vor Bars, Supermärkten oder an Tankstellen genähert. Und einmal hat ihn angeblich sogar ein Pärchen mitgenommen: Er sagte, er habe eine Panne. Die jungen Leute setzten ihn ab. Nichts passierte.«
»Hat er während dieser Probeläufe immer nur heterosexuelle Pärchen angesprochen?« fragte ich.
»Nicht ausschließlich. Das erklärt auch, daß er Sie und Abby an jenem Abend nach dem Weg fragte. Er liebte das Risiko, Kay, die Phantasien. In gewisser Weise war das Töten nicht die Hauptsache in seinem Spiel.«
»Ich verstehe immer noch nicht, weshalb der CIA so besorgt war, der Killer könne aus Camp Peary kommen«, sagte ich.
Wesley legte sein Jackett über den anderen Arm. »Es steckt mehr dahinter als der Modus operandi und der Herzbube«, antwortete er. »Die Polizei fand auf dem Boden vor dem Rücksitz des Wagens von Jim Freeman und Bonnie Smyth eine Tankkarte. Man nahm an, sie sei dem Besitzer aus der Tasche gefallen, als er bei den beiden im Auto saß.«
»Und?«
»Der Name der Gesellschaft auf der Karte lautete Syn-Tron. Nach umfangreichen Nachforschungen stellte sich heraus, daß das Konto zu Viking Exports gehört. Viking Exports gibt es nicht - es ist eine Scheinfirma des CIA. Die Tankkarte wird an die Leute von Camp Peary ausgegeben, damit sie die Tanksäulen auf dem Gelände benutzen können.«
»Interessant. Abby erwähnte irgendwo in ihren Aufzeichnungen eine Karte - aber ich nahm natürlich an, sie meine den Herzbuben. Woher wußte sie davon, Benton?«
»Ich vermute, von Pat Harvey - die wußte schon eine ganze Weile darüber Bescheid. Daher auch die Anklagen auf der Pressekonferenz, es werde etwas verschleiert.«
»Daran glaubte sie aber offenbar nicht mehr, als sie sich entschloß, Spurrier zu töten.«
»Nach ihrem denkwürdigen Auftritt weihte der Director sie ein, Kay - er hatte keine andere Wahl. Er sagte ihr, es bestehe die Möglichkeit, daß die Karte absichtlich in dem Wagen deponiert worden sei, um die Ermittler in die Irre zu führen. Wir hatten von Anfang an unsere Zweifel, doch wir durften nicht von vornherein ausschließen, daß der Mörder aus Camp Peary kommen könnte. Und der CIA befaßte sich äußerst ernsthaft mit diesem Verdacht.«
»Und mit seiner Eröffnung brachte der Director Mrs. Harvey zum Schweigen.«
»Na ja - zunächst einmal wenigstens zum Nachdenken. Und nach der Verhaftung Spurriers sah sie seine Vermutung als bestätigt an.«
»Wie kann Spurrier an die Tankkarte einer der Leute aus Camp Peary gekommen sein?«
»Er hatte viele Kunden von dort.«
»Sie meinen, er hat irgendwie die Karte eines Kunden an sich gebracht?« fragte ich ungläubig.
»Ja. Ich nehme an, jemand aus Camp Peary ließ aus Versehen seine Brieftasche auf dem Tresen liegen und ging - und als er zurückkam, um sie zu holen, hatte Spurrier sie bereits verräumt und behauptete, er habe sie nicht gesehen. Und dann hinterließ er die Tankkarte im Wagen von Jim Freeman und Bonnie Smyth, um zu erreichen, daß die Morde mit dem CIA in Zusammenhang gebracht würden.«
»Die Karte hatte keine Identifikationsnummer?« wunderte ich mich.
»Die befinden sich auf einem Aufkleber, und der war entfernt worden - deshalb konnten wir die Karte nicht zu ihrem Eigentümer zurückverfolgen.«
Ich war müde, und meine Füße schmerzten, als der Parkplatz in Sicht kam. Die Trauergäste von Abbys Beerdigung waren längst fort.
Als ich meinen Wagen
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