Das fünfte Verfahren
sein muß“, und
kramte wieder die alte Geschichte hervor. Es hatte da nämlich mal einen
gegeben, der mit solchen feinen Streifen seine Barschaft von Hunderten,
Zweihunderten oder Tausendern — die Höhe variierte von Version zu Version —
verdoppelt hatte. Also wirklich, die slawische Seele!
Als ich Boris verließ, dachte ich für
mich, daß dieser Fall so langsam das Format eines Völkerbundes annahm. Ein
Kroate, ein Russe, ein Franzose und viele Deutsche. Fehlte noch ein Pole. Der
trinkfreudige Marc Covet konnte dieses Klischee bestens bedienen. Ich entschloß
mich, ihn als nächsten aufzusuchen.
Der Journalist hatte soeben aus dem
Radio von meinem tragischen Tod erfahren, als ich bei ihm auftauchte. Mit einem
halben Liter Wein versuchte er, wieder klar zu sehen. Gespenster hatte er bei
sich zu Hause bisher noch nicht empfangen. Allerdings war ihm jeder Vorwand
recht, um sich einen hinter die Binde zu gießen.
* * *
Aus diesem Grund herrschte bei Marc
Covet immer eine feuchtfröhliche Gastfreundschaft.
„Eine der guten Seiten der Besatzung“,
sagte ich und stellte mein Glas auf den Tisch, „ist, daß Journalisten wie Sie,
die noch nicht hundertprozentige Kollaborateure sind, immer noch das Recht
haben, über den Verlust eines Gebisses zu berichten oder den Einfluß der
Passatwinde auf die Form der Lockenwickler am Hofe Louis XV. ausführlichst zu
behandeln. Ohne also befürchten zu müssen, daß Sie einen unangebrachten Artikel
darüber schreiben, kann man mit Ihnen über Dinge reden, die anzuschneiden ich
mich vor dem Krieg sehr gehütet hätte.“
„Und worauf läuft Ihre verschlungene
Rede hinaus, schöne Leiche?“ stieß der Journalist mit wäßrigen Augen und immer
leererem Blick hervor.
„Auf meinen Tod. Wissen Sie, warum er
mich ereilt hat? Warum heute morgen ein Sarg, angeblich mit meiner schönen
Leiche, das gerichtsmedizinische Institut verlassen wird? Warum Sie heute abend
einen Nachruf verfassen werden, deren vollkommenen Wortlaut samt Punkt und
Komma Sie auf Ihrem Schreibtisch finden werden?“
„Großer Gott, nein, ich weiß von
nichts! Aber da Sie schon mal hier sind, gibt es vielleicht Hoffnung, etwas zu
erfahren.“
„Ja, es gibt Hoffnung. Hören Sie gut
zu. Es wird Sie traurig stimmen, weil Sie nichts daraus machen können. Vor dem
Krieg, ja, mit diesen Informationen...“
Ich setzte ihn über das Geschehene ins
Bild. Er fluchte vor sich hin und machte der Flasche den Garaus.
„Und jetzt schalten Sie bitte noch
nicht ab“, bat ich ihn. „Ich weiß nicht warum, aber heute sind Sie mir
sympathisch. Vielleicht liegt das an Ihrem kriminellen Wein... oder daran, daß
Sie mich beherbergen. Kurz und gut, ich werde Ihnen ein paar Ideen mitteilen,
die ich Faroux verschwiegen habe. Zunächst aber noch zwei Worte über meine
beruflichen Aktivitäten in letzter Zeit. Ich bin gerade aus Marseille
zurückgekommen, wie Sdenko Matitch, allerdings in ungleich besserem Zustand.
Ein gewisser Robert Beaucher hatte mich zu Hilfe gerufen. Industrieller,
verheiratet, ein Kind, um Ihnen einen kurzen Eindruck zu verschaffen. Ich
könnte auch noch hinzufügen, daß er groß ist, daß ich weder seine Frau noch sein
Kind je zu Gesicht bekommen habe und daß er auf mich den Eindruck gemacht hat,
das zu sein, was man dort unten einen ,Depp’ nennt. Und das wollte er von mir:
Eine Nachttänzerin, Jackie Lamour... Sie kennen sie nicht zufällig?“
„Leider nein! Bedauerlich bei dem
vielversprechenden Namen, und dann noch Nackttänzerin...“
„Nicht nackt, Nach tänzerin. Und
dem Namen sollten Sie nicht trauen. Jackie Giftnudel würde besser zu ihr
passen. Sie hatte sich vorgenommen, unseren Industriellen auszupressen wie ‘ne
Zitrone. Er war ihr Liebhaber und sollte jetzt jede Umarmung einzeln bezahlen.
Ratenzahlung, sozusagen. Als er um ihre Liebe warb, hatte er ihr genau siebzehn
leidenschaftliche Briefe geschrieben. Briefe, die er für verteufelt
kompromittierend hielt. Die Adressatin teilte seine Meinung und wollte sie zu
Geld machen. Wenn Sie mich fragen, ich fand sie eher lächerlich. Na ja, in
diesem Sinne waren die Ergüsse vielleicht doch kompromittierend. Schließlich
hat jeder einmal so was von sich gegeben, ich auch. Und das Übelste, was man
mir antun könnte, wäre, sie der Öffentlichkeit vorzustellen... Nun, Beaucher
hat tief in die Tasche gegriffen, um das Geschreibsel wiederzubekommen. Die
Tänzerin wohnt außerhalb von Marseille. Richtung Cap Croisette, in einer
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