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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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an jemanden wie Jackie
Lamour zu schicken, zeugt von einer verwirrten Psyche. Bei der Lektüre muß die
Tänzerin sich gebogen haben vor Lachen.“
    „Vielleicht wäre es nützlich, die
Briefe daraufhin noch einmal unter die Lupe zu nehmen“, schlug Covet vor.
    Seit er mich kannte, hatte er sich
daran gewöhnt, nichts außer acht zu lassen.
    „Etwas schwierig im Augenblick“, gab
ich zu bedenken. Wir legten eine Denkpause ein. Nur das Gluckern des Weins in
unseren Kehlen war zu hören. Als unsere Gläser leer waren, erkundigte sich der
Journalist, was ich nun vorhätte.
    „Mir nicht den Kopf zu zerbrechen und
Robert Beaucher ein paar präzise Fragen zu stellen. Herauskommen wird, was
herauskommen wird. Eine heiße Spur oder eine, die im Sand verläuft. Ich hatte
sowieso vor, in die nichtbesetzte Zone zu reisen. Hier sind die Deutschen mir
zu dicht auf den Fersen.“
    „Nichtbesetzte Zone?“ echote Covet
lachend. „Glauben Sie an den Fortbestand der Zweiteilung? Können Sie sich
vorstellen, daß Hitler im Norden bleibt, wenn seine Feinde sich anschicken, den
Süden anzugreifen? Wenn Sie hoffen, Sie wären in der nichtbesetzten Zone vor
den Deutschen sicher, dann haben Ihre geistigen Fähigkeiten dramatisch
nachgelassen. Sie sollten Futterkalk fressen, das stärkt den Gedankengang! Wir
in der Redaktion erwarten jeden Augenblick, daß die Wehrmacht die
Demarkationslinie überschreitet. Hier, sehen Sie…“ Er holte einen nagelneuen
Ausweis hervor. „Alles bereit, damit wir dem Aufmarsch der deutschen Truppen
auf der Canebière beiwohnen können.“
    „Ich glaube auch, daß sie bald ihre
Stiefel im Mittelmeer baden“, erwiderte ich wie jemand, der in Sachen Strategie
und Politik nicht ganz unbeschlagen ist. „Aber was ändert das an meinem
Entschluß? Sollten die Deutschen ganz Frankreich besetzen, ist das Risiko dort
wie hier das gleiche. Dort könnte ich aber in Erfahrung bringen, ob der Mörder
des Kroaten am eigentlichen Ziel vorbeigeschossen hat oder nicht. Angenommen,
Robert Beaucher wollte mir einen vorschnellen Killer auf den Hals hetzen, dann
garantiere ich Ihnen: Es wird eine Corrida geben!"
    „Die möchte ich mir ansehen.“
    „Aber sicher doch, mein lieber Covet!
Von jetzt an bleiben wir zusammen. Sie werden mir flott einen
Journalistenausweis besorgen und
    Noch nie hatte ich meinen Freund sich
so sehr winden sehen. Er vergaß sogar das Trinken. Falsche Papiere? Um die
Linie zu überqueren, und das ausgerechnet mit ihm zusammen? Nein, nein, völlig
ausgeschlossen, völlig... Es sei denn... aber... Er goß unsere Gläser wieder
voll. Es gab also Hoffnung. Falsche Papiere, hätte ich gesagt? Die seien doch
gar nicht nötig! Frédéric Delan habe doch schließlich nicht umsonst das Licht
der Welt erblickt!
    Seit einer guten Stunde schon redeten
wir über psychische Macken. Da war es einfach unvermeidlich, daß irgendwann der
Name unseres gemeinsamen Freundes fiel. Fred Delan war jener Psychiater, dem
ich früher mal geholfen hatte und der mich bei meinen Ermittlungen hin und
wieder unterstützte. Ein sehr hilfsbereiter Mensch, den ich kurz vor dem Krieg
aus den Augen verloren hatte. Covet dagegen schien Kontakt mit ihm behalten zu
haben.
    „Er leitet eine psychiatrische
Anstalt“, erklärte er mir, „in Ferdières, Departement Saône-et-Loire, am Rande
der Demarkationslinie. Da sitzen richtige Verrückte und weniger Verrückte, die
in die nichtbesetzte Zone wollen. Delan gehört einer Organisation an, die
solche Leute über die Linie schleust. Ich glaube, das macht den größten Teil
seiner Einnahmen aus.“
    „Wer sagt’s denn!“ rief ich. „Das ist
genau der Mann, den ich brauche, finden Sie nicht?
    „Oh ja“, seufzte der Journalist
erleichtert.
    „Ich glaube, ich kann noch gefahrlos
die Bahn benutzen“, fuhr ich fort. „Sofern ich keinem Deutschen über den Weg
laufe, vor allem keinem ganz bestimmten Typ von Deutschen. Ich werde so schnell
wie möglich in dieses Nest reisen. Wie haben Sie noch gesagt? Ferdières? Aber
vor dem Fahrkartenschalter Schlange zu stehen, dazu habe ich keine Lust. Zumal
ich eventuell gar keine Karte mehr kriege. Ich hoffe, diesen Freundschaftsdienst werden Sie mir nicht verweigern, oder? Für die Presse sind
doch in jedem Zug ein paar Plätze reserviert, stimmt’s? Los, besorgen Sie mir
einen!“
    „Das kann ich gerne tun“, willigte Covet ein.
    „Prima. Inzwischen werde ich mich hier
häuslich niederlassen. Und noch etwas könnten Sie für mich

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