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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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später
geworden.“
    Und für mich fügte ich hinzu:
Bestimmt, als man ihm sein Geheimnis geklaut hat. Ein Geheimnis, auf das er
seine utopischen, pazifistischen Hoffnungen setzte. Und für den geistigen
Diebstahl machte er in seinem Wahn verständlicherweise einen Mann
verantwortlich, dessen Name in den Büchern, die ich vor mir liegen hatte,
häufig genannt wurde: Oberst Lawrence!
     
    * * *
     
    Die Sache nahm so langsam Formen an:
    Fernèse hatte ein Fünftes Verfahren
entwickelt. Das System war kodiert in den „Liebesbriefen“ schriftlich
niedergelegt worden. Aus Vorsicht hatte man sie unter andere Briefe gemischt
und mit Petr unterzeichnet, um sie später leichter identifizieren zu
können. Die Briefe wurden gestohlen. Von Matitch? Der Kroate hatte an der
gleichen Stelle gearbeitet wie der Ingenieur und ihn bei seiner
Forschungsarbeit beobachten können. Jedenfalls gelangten die Briefe in Jackie
Lamours Besitz, und die Tänzerin hatte Sdenko Matitch gekannt. Ich bekam von
BBB den Auftrag, die Briefe aus der Villa am Cap Croisette zu entwenden.
Dreifach-B verriet ihr — nach höflicher, aber bestimmter Aufforderung - , daß
sie sich in dem Haus am Alten Hafen befänden. Das nützte der Tänzerin aber
nichts, da das Haus nicht mehr stand. Da hatte Jackie Lamour, die Fernèses
Alterssitz kannte, eine Idee: Sie entführte den verrückten Ingenieur, um ihm
sein Geheimnis zu entreißen. Es war der letzte Versuch, die Zeit drängte. Denn
ein Mann — das war aus der Unterhaltung zwischen Dédé und Paulot hervorgegangen
— war bereits unterwegs, um die Briefe in Empfang zu nehmen. War Rotkartoffel
dieser Mann? Rotkartoffel war jedenfalls nach Marseille gekommen. Einer mußte
ja schließlich wissen, wie man den Code knacken kann...
    Sicher, es gab da noch ein paar dunkle
Punkte, doch ich verließ mich auf meine Intuition. Wenn ich mich irrte, dann
nicht übermäßig. Im großen und ganzen lag ich mit meinen Vermutungen richtig.
Ich war nicht unzufrieden mit mir. Doch es wartete noch ‘ne Menge Arbeit auf
mich. Und was für eine Arbeit! Im Augenblick mußte ich nur...
    Ja, laufenlassen mußte ich es! Eine
andere Möglichkeit sah ich nicht. Man kann die Musik nicht schneller spielen,
als sie geschrieben wird. Das war bedauerlich, denn so langsam wurde ich
nervös.
    Ich unterhielt mich noch eine Weile
mit Marius Alicot über Erdöl, dann verabschiedete ich mich von dem
hilfsbereiten Genossen und kehrte in die Vielfrucht zurück. Dort hoffte
ich eine Nachricht von Marc Covet vorzufinden.
    Ich fand nichts vor.
    Ich rief im Moderne an und
bekam sofort den Journalisten an die Strippe. Nein, er habe nichts
Sensationelles zu berichten, aber wenn ich morgen früh zu ihm kommen wolle,
könne er mir vielleicht mehr sagen und ein Gläschen mit mir trinken. Ich
kapierte, daß Rotkartoffel sich in der Nähe der Telefonkabine aufhalten mußte
und daß die Kabine nicht schalldicht war. Daß Marc die Spur noch nicht verloren
hatte, war schon eine stramme Leistung. Ich versprach, die Verabredung
einzuhalten, und legte auf.
    Marcs Bemerkung über ein Gläschen
hatte mich durstig gemacht. Ich ging in ein nahegelegenes Bistro. Dort stellte
ich fest, daß mein Durst zwar wach, aber nicht groß war. Schuld daran war wohl
meine Nervosität, die ich mit einer bestimmten Menge Alkohol bekämpfte. Ich
mußte mich gleichzeitig entspannen, beruhigen und betäuben.

14

So langsam rappelt es
     
     
    Ich schlief schlecht und wachte mit
einem ausgewachsenen Kater auf. Gegen neun ging ich zu meinem Rendezvous mit
Marc Covet. Trotz der relativ frühen Morgenstunde saß der Journalist in einem
Sessel der Hotelhalle und studierte die Artikel seiner Marseiller Kollegen. Er
sah auch nicht besser aus als ich und gähnte sich die Seele aus dem Leib.
    „Sie werden den Eifer bemerken“, sagte
er zur Begrüßung, „mit dem ich meinen Auftrag erfülle. Um acht hab ich mich
wecken lassen. Das ist seit meiner Erstkommunion nicht mehr passiert. Nun sitze
ich hier und warte auf Korb, um ihn zu beschatten. Wenn er sich nicht weiter
entfernt als gestern, werd ich mir auch heute kein Bein ausreißen. Korb überwachen...“
    „Korb heißt er also? Na ja, ich bleib
bei Rotkartoffel.“ Ich zog einen Sessel heran und setzte mich.
    „Der Name paßt noch am besten zu ihm
und ist auch nicht falscher als alle andern. Aber ich habe Sie unterbrochen.
Sie sagten: Korb überwachen...“
    „...ist ‘ne Arbeit für kleine
Mädchen“, beendete Covet seinen Satz. „Das

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