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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Blöde ist nur, daß man so früh aus
den Federn muß. Könnte ja sein, daß es ihm einfällt, zeitig auszugehen...
Obwohl... Es sieht nicht so aus, als liebe er die frische Luft. Gestern ist er
nur ganz kurz über die Canebiere spaziert, am späten Nachmittag. Hab den
Eindruck, daß er sich nicht zu weit vom Hotel entfernen möchte. Man könnte
meinen, er warte auf irgend etwas.“
    „Wenn das ankommt, worauf er wartet,
müssen Sie hübsch achtgeben!“
    „Tu ich, tu ich! Verlassen Sie sich da
nur auf mich. Schließlich bin ich sehr an der Sache interessiert.“
    „Wie schön! Und sonst? Hat ihn jemand
besucht?“
    „Wenn der sympathische Page, den ich
aushorchte, kein großer Lügner ist: Ja. Gestern morgen, bevor Sie zu mir kamen,
hat jemand nach ihm gefragt, und er ist sofort zu ihm geführt worden.“
    „Von dem Besuch weiß ich schon. Aber
danach?“
    „Nichts.“
    „Hat er angerufen oder ist angerufen
worden?“
    „Nicht daß ich wüßte.“
    „Post?“
    „Keine.“
    „Gut. Was haben Sie sonst
rausgekriegt?“
    „Er wohnt in Nr. 109. Wenn Sie zu ihm
wollen...“
    „Kein Bedürfnis. Ich würde sowieso
nichts finden. Aber ein Interview mit ihm... hm... Nein, zu gefährlich.“
    „Sie fürchten die Gefahr? Jetzt?“
    „Nun, es wäre eine Gefahr auf lange
Sicht“, sagte ich verträumt. „Ja, eine Zeitbombe. Aber lassen wir das. Wissen
Sie, für wen die Nachricht bestimmt war, die er bei seiner Ankunft
hingekritzelt hat?“
    Covets Gesicht wurde länger. Meins
auch, bei seinen Worten.
    „Hab mich geirrt“, gestand er
verlegen. „Die Nachricht ist von keinem Boy aus diesem Hotel zugestellt worden.
Ich hatte vermutet, der Laufbursche sei wie üblich damit beauftragt worden. Na
ja, eine falsche Vermutung! Korb ist mit dem Zettel auf sein Zimmer gegangen
und hat erst mal zwei oder drei Dinge reklamiert, die dort fehlten. Deswegen
waren die Angestellten so sauer auf ihn. Dann hat er das Hotel verlassen und
diese verdammte Nachricht wohl selbst zugestellt oder in einen Briefkasten
geworfen, was weiß ich! Als ich ihn dann später in der Halle sah, war er
wahrscheinlich von seiner Nachtwanderung schon wieder zurück. Hab mich eben
geirrt... Zu meiner Entschuldigung kann ich allerdings anführen, daß ich zu dem
Zeitpunkt keinerlei Grund hatte, den Kerl im Auge zu behalten. Außerdem war ich
ziemlich blau.“
    Die erste Chance, Dédés Adresse zu
erfahren, war dahin. Es sei denn...
    „Hat er nicht nach irgendeinem Weg
gefragt?“
    „Gefragt hat er nicht. Entweder er
kennt die Stadt, oder er hat sich auf der Straße erkundigt.“
    „Ein vorsichtiger Mensch, was?“
    „Kann man wohl sagen.“
    „Er war fast sicher, seinen Mann um
diese Uhrzeit zu Hause anzutreffen. Vorsichtigerweise hat er aber eine
Nachricht geschrieben, für den Fall, daß...“
    Ich ließ den Satz in der Schwebe und
hüllte mich in nachdenkliches Schweigen. Sollte ich doch hinaufgehen, um dem
Hotelgast auf Nr. 109 eine gewisse Information zuzuspielen? Ich war drauf und
dran, eine teuflische Dummheit zu begehen und mit dem Höllenfeuer zu spielen.
Im letzten Augenblick besann ich mich jedoch wieder darauf, die Dinge
laufenzulassen. Ganz so schlechte Karten hatte ich bei dem Spielchen nicht
mehr.
    „Gut, Covet“, sagte ich laut und stand
auf. „Hängen Sie sich an Rotkartoffel, und seien Sie genauso vorsichtig wie er!
Inzwischen könnten wir das Gläschen zusammen trinken, zu dem Sie mich am
Telefon eingeladen haben.“
     
    * * *
     
    Ich verbrachte den größten Teil des
Tages mit dem Versuch, Florimond Faroux zu erreichen. Erst viel später gelang
es mir. Der Tag ging schon zur Neige, und meine Energie ebenfalls. Doch da
erwischte ich ihn telefonisch auf dem Kommissariat. Er bat mich, zu ihm zu
kommen. Meine Begeisterung für Diensträume der Polizei hält sich in Grenzen,
doch Faroux gab mir gutgelaunt sein Flic-Ehrenwort, daß man mir kein Haar
krümmen würde.
    Mein Freund saß in einem leicht
verstaubten Büro, flankiert von seinen unverwüstlichen Schatten Grégoire und
Bonvalet. Auch in dem schummrigen Licht einer Lampe mit grünem Schirm erinnerte
das Trio nur sehr entfernt an die Drei Grazien. Das große Los schienen sie
nicht gezogen zu haben, aber für die Ostfront waren sie auch noch nicht reif.
Ihre Ermittlungen liefen wohl so lala, ohne großartige Entdeckungen.
    „Was Neues?“ fragte ich, nachdem wir
durch Händedruck unsere Bazillen ausgetauscht hatten.
    „Setzen Sie sich“, sagte Faroux. „Wir
haben neue

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