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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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suchten. Und wir können so richtige
Scheinheiligengesichter machen, wenn wir wollen! Die Flics haben uns für die
reinsten Unschuldslämmer gehalten. Trotzdem, wir müssen immer vorsichtiger
sein.“
    „Hoffentlich haben die nicht mich
Unschuldslamm gesucht“, sagte ich lachend.
    „Davon haben sie nichts gesagt.“
    „Jedenfalls bin ich froh, daß ich
nicht hier war... Aber mal was anderes: Habt ihr unter euren Politischen
keinen, der sich mit Erdöl auskennt?“
    „Willst du Aktien kaufen?“ witzelte
Rouget.
    „Nein, Informationen. Die
Stadtbücherei hat doch sicher schon geschlossen, und außerdem steht in den
Regalen bestimmt nicht das, was mich interessiert.“
    Rouget verzog das Gesicht.
    „Die Jungs hatten kaum Zeit, ihre
Bücher mitzunehmen“, vermutete er. „Aber ich kenne jemanden, der dir
weiterhelfen kann: ein entlassener Lehrer, der politisch nicht mehr aktiv ist
und sich mit Erdöl befaßt. Hat früher sogar mal was darüber veröffentlicht.
Willst du ihm nacheifern?“
    „Man muß seine Freizeit sinnvoll
gestalten. Name, Adresse?“
    „Marius Alicot, Rue Félix Pyat.“
    „Ich werden ihn besuchen. Hat jemand
angerufen?“
    „Nein, niemand.“
    „Dann werd ich es tun.“
    Ich rief im Moderne an und
verlangte Marc Covet. Man teilte mir mit, daß er nicht im Hotel sei.
     
    * * *
     
    Genosse Alicot hatte die Fünfzig schon
lange überschritten. Er trug einen üppigen Bart, der durch ebenso üppigen
Tabakgenuß gelblich verfärbt war. Seine hellen Augen hinter den Brillengläsern
funkelten spöttisch.
    Der sympathische Mann bewohnte eine
kleine Zweizimmerwohnung, die mit Büchern, Broschüren, Zeitungen und anderen
Publikationen vollgestopft war. Ich sagte, ich käme von Jean Rouget, und
erklärte ihm den Grund meines Besuches.
    „Setzen Sie sich“, forderte er mich
auf und befreite einen altersschwachen Sessel von allerlei Papierkram.
    Mit einer weitausholenden Geste fuhr
er fort:
    „Hier stehen rund fünfhundert Bücher,
die sich mit dem Thema Erdöl auseinandersetzen. Wenn Sie wollen, können Sie die
ganze Nacht hindurch darin stöbern.“
    „Ich glaube, Sie kennen sich mit Erdöl
ziemlich gut aus“, erwiderte ich.
    Er nickte.
    „Mein Steckenpferd.“
    „Tja, bevor ich mich an die Lektüre
der Bücher mache, könnte ich Ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen. Mit
etwas Glück wird mir das die Mordsarbeit ersparen.“
    „Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.
Sie sind nicht der erste, der mich um einen Rat oder eine Information bittet.
Ich habe mich vor gut zwanzig Jahren aus der politischen Arbeit zurückgezogen,
aber häufig nehmen die Jungen meine Archive und mein gutes Gedächtnis in
Anspruch.“
    „Mit anderen Worten“, sagte ich
lächelnd, „Sie sind so etwas wie ein beratender Revolutionär?“
    „Eine hübsche Bezeichnung.“
    „Ich schenke sie Ihnen. Aber um auf
mein Anliegen zurückzukommen: Woran denken Sie bei dem Wort Verfahren ?
Nein, ich bin nicht verrückt“, beeilte ich mich hinzuzufügen, als ich seine
großen Augen sah. „Ich kenne das Wort wohl. Es geht mir um die genaue Bedeutung
dieses Wortes bei der Erdölgewinnung.“
    „Verfahren?“ wiederholte Marius
Alicot. „In welchem Sinne?“
    „Sehen Sie, das ist genau das, was ich
wissen möchte.“
    „Sollten Sie da nicht besser einen
Chemiker fragen?“
    „Nein, nein“, wehrte ich ab. „Das
Verfahren, von dem ich spreche, wird das Fünfte genannt. Das Fünfte Verfahren,
das sind die geheimnisvollen Worte, die ich von einem Unglücklichen gehört
habe. Und ich vermute, daß der Mann Ingenieur in der Erdölbranche war.
Vielleicht kennen Sie ihn, er war militanter Pazifist. Sein Name lautet Victor
Fernèse...“ Ich leierte alles herunter, was ich über die Biographie des
Ingenieurs wußte. Marius Alicot schüttelte bedauernd den Kopf.
    „Ich verkehre seit fast zwanzig Jahren
nicht mehr in diesen Kreisen“, entschuldigte er sich. „Victor Fernèse? Der Name
ist mir völlig unbekannt.“
    „Und das Fünfte Verfahren?“
    „Sie sagten, der Mann, der diese Worte
gebraucht hat, sei verrückt, nicht wahr?“
    „So verrückt, wie man’s nur sein
kann... oder noch etwas verrückter. Diese Worte aber sind keine
Wahnvorstellungen, davon bin ich fest überzeugt.“
    „Möglich. Ich persönlich muß gestehen,
daß ich keinen Bezug sehe...“
    „Schade“, seufzte ich. „Dann werd ich
mir wohl die Bücher vorknöpfen. Vielleicht enthalten sie irgendeinen Hinweis
auf den verdammten Ausdruck.“
    „Viel

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