Das fünfte Zeichen
woanders, nicht wahr? «
Beate nickte langsam.
» Ist schon in Ordnung «, sagte Olaug. » Wollen wir hoffen, dass ihr ihn schnappt. «
» Du hast einen netten Sohn. «
» Ja, das habe ich. Und hätte er mich immer so oft besucht wie in der letzten Zeit, würde ich mich auch nicht beschweren. «
» Ach ja? Wie oft kommt er denn? «, fragte Beate. Jetzt sollte es vorüber sein. Warum rief Harry nicht an? War der Kurier doch nicht gekommen?
» In den letzten vier Wochen ist er einmal pro Woche da gew e sen. Eigentlich sogar noch häufiger. Jeden fünften Tag war er hier. Nicht für lange. Ich glaube wirklich, dass da un ten in Prag jemand auf ihn wartet. Und wie gesagt, ich glaube, dass er heute Abend Neuigkeiten für mich hat. «
» Hmm. «
» Beim letzten Mal hat er mir ein Schmuckstück mitgebracht. Willst du ’ s mal sehen? «
Beate betrachtete die alte Frau. Und spürte plötzlich, wie sehr sie das alles ermüdete. Der Job, der Fahrradkurierfall, Tom Waaler und Harry Hole. Olaug Sivertsen und vor allem sie selbst. Die prächtige, pflichtbewusste Beate Lønn. Die glaubte, mit Nettigkeit etwas erreichen zu können. Und mit Klugheit. Nur immer nett und brav das tun, was andere Menschen von ihr verlangten. Es war an der Zeit, das zu ändern, aber sie wusste nicht, ob sie es schaffen würde. Am liebsten wollte sie einfach nur nach Hause, sich unter der Decke verstecken und schlafen.
» Du hast Recht «, sagte Olaug. » Da ist wirklich nicht viel dran zu sehen. Noch etwas Tee? «
» Gerne. « Olaug wollte einschenken, doch Beate hielt die Hand über ihre Tasse.
» Entschuldige «, sagte Beate lachend. » Was ich meinte, war, dass ich mir den Schmuck gerne einmal ansehen würde. «
» Was … «
» Das Schmuckstück, das du von deinem Sohn bekommen hast. «
Ein Leuchten huschte über Olaugs Gesicht. Dann verschwand sie aus der Küche.
Nett, dachte Beate und hob die Tasse, um auszutrinken. Sie sollte besser Harry anrufen, um zu hören, wie es gelaufen war.
» Hier ist es «, sagte Olaug.
Beate Lønns Teetasse, das heißt Olaug Sivertsens Teetasse –oder noch genauer die Teetasse der Wehrmacht –hing mitten in der Luft.
Beate starrte auf eine Brosche. Das heißt – sie starrte auf den Edelstein, der an der Brosche befestigt war.
» Sven importiert diese Steine «, sagte Olaug. » Ich glaube, nur in Prag schleift man die in dieser speziellen Form. «
Es war ein Diamant. In Form eines Pentagramms. Beates Mund war schlagartig wie ausgetrocknet. Nervös leckte sie sich über die Lippen. » Ich muss jemanden anrufen «, sagte sie. Das trockene Gefühl wollte nicht weichen.
» Kannst du mir in der Zwischenzeit ein Bild von Sven beso r gen? Am besten eins, wie er heute aussieht. Es eilt. «
Olaug musterte sie verwirrt, nickte aber.
O tto stand der Mund offen. Er starrte wie gebannt auf den Bildschirm und registrierte die Stimmen um sich herum.
» Mögliches Objekt betritt Sektor von Bravo 2. Mögliches Objekt stoppt vor einer Tür. Bereit zum Zugriff, Bravo 2? «
» Bravo 2 ist bereit. «
» Objekt bleibt stehen. Er greift nach etwas in seiner Tasche. Möglicherweise eine Waffe, wir können seine Hand nicht sehen. «
Waalers Stimme: » Jetzt. «
» Bravo 2, Zugriff! «
» Merkwürdig «, murmelte der Rausschmeißer.
M arius Veland meinte erst, sich verhört zu haben, doch siche r heitshalber drehte er die Violent Femmes leiser. Und da war es wieder. Es klopfte an der Tür. Wer in aller Welt konnte das sein? Soweit er wusste, waren alle auf dem Flur in den Somme r ferien nach Hause gefahren. Nur Shirley nicht, der war er gestern noch begegnet. Beinahe hätte er sie gefragt, ob sie nicht Lust auf ein Konzert habe, oder einen Film, oder eine Premiere. Gratis natürlich, sie könne es sich selbst aussuchen.
Marius stand auf. Seine Hände waren vor Aufregung nass. Warum das? Es gab keinen vernünftigen Grund, dass sie es war. Er schaute sich rasch um und hatte plötzlich das Gefühl, sein Zimmer vor diesem Moment noch nie wirklich gesehen zu haben. Er hatte nicht genug Sachen, um wirklich Unordnung zu machen. Die Wände waren kahl bis auf ein Iggy-Pop-Plakat mit eingerissenen Ecken und ein traurige s B ücherregal, das bald mit Gratis-CDs und DVDs gefüllt sein würde. Es war ein Zimmer ohne jede persönliche Note. Ohne … Es klopfte wieder. Hastig stopfte er einen Bettdeckenzipfel wieder zurück in das Schlafs o fa und ging zur Tür. Öffnete. Das konnte nicht sie sein. Das konnte nicht
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