Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
in regelmäßigen Abständen auf der Terrasse gesehen. Wie hast du es geschafft, sie aus der Wohnung zu bringen und zu verstecken, bevor wir kamen? «
    Willy lächelte.
    » Du schweigst? «, fragte Harry.
    » Soll ein Stück sein Geheimnis bewahren, muss sich der Autor mit Erklärungen zurückhalten. «
    Harry seufzte.
    » Okay, aber dann erklär mir bitte Folgendes: Warum so ko m pliziert? Warum hast du Sven Sivertsen nicht einfach umgebracht? Du hattest in Prag Gelegenheit genug. Das wäre weitaus einfacher und wesentlich weniger riskant gewesen, als drei Unschuldige plus deine Frau zu töten. «
    » Zum einen, weil ich einen Sündenbock brauchte. Wäre Lisbeth verschwunden und die Sache wäre nie aufgeklärt worden, hätten doch alle gedacht, ich hätte etwas damit zu tun. Es ist schließlich immer der Ehemann, nicht wahr, Harry? Doch eigentlich habe ich es wohl getan, weil die Liebe durstig ist, Harry. Sie dürstet. Nicht nach Wasser. Nach Rache. Das ist ein schöner Ausdruck, oder? Du verstehst, wovon ich spreche, Harry. Der Tod allein ist noch keine Rache. Der Tod ist eine Befreiung, ein Happy End. Was ich Sven Sivertsen bereiten wollte, war eine wahre Tragödie, schieres Leid. Und das ist mir gelungen. Sven Sivertsen ist eine der ruhelosen Seelen, die an den Ufern des Styx entlangirren, und ich bin der Fährmann Charon, der sich weigert, ihn ins Reich der Toten zu bringen. Ist das zu griechisch für dich, Harry? Ich habe ihn dazu verdammt zu leben, Harry. Er soll vom Hass verzehrt werden, wie der Hass mich verzehrt. Hasst man, ohne zu wissen, wen man hassen soll, richtet man diesen Hass schließlich gegen sich selbst, gegen sein eigenes verdammtes Schicksal. So geht es dem, der von einem geliebten Menschen verraten wird. Und dem, der lebenslänglich hinter Gittern sitzt, verurteilt für etwas, von dem er weiß, dass er es nicht getan hat. Kannst du dir eine bessere Rache vorstellen, Harry? «
    Harry fühlte nach, ob er das Stemmeisen noch immer in der Tasche hatte.
    Barli lachte kurz auf. Der nächste Satz gab Harry zu denken. Fast wie bei einem Déj à -vu: » Du brauchst gar nicht erst zu antworten, Harry, ich kann es dir ansehen. «
    Harry schloss die Augen und hörte Willys Stimme weitern a gen: » Du bist auch nicht anders als ich, dich treibt auch die Begierde an. Und die Begierde sucht sich immer … «
    » … den schwächsten Punkt. «
    » Den schwächsten Punkt. Aber jetzt bist du an der Reihe, finde ich. Was ist das für ein Beweis, den du hast? Muss ich mir Sorgen machen? «
    Harry öffnete wieder die Augen. » Zuerst sagst du mir noch, wo sie ist, Willy. «
    Barli lachte laut und legte eine Hand aufs Herz. » Sie ist hier. «
    » Du redest Unsinn. «
    » Wenn Pygmalion in der Lage war, Galatea zu lieben, die Statue einer Frau, die er nie getroffen hatte, warum sollte ich dann nicht eine Statue meiner Ehefrau lieben? «
    » Ich kann dir nicht folgen, Willy. «
    » Das ist auch nicht nötig, Harry. Ich weiß, dass das für andere nicht leicht zu verstehen ist. «
    In der folgenden Stille konnte Harry das Wasser in der Dusche mit unverminderter Intensität prasseln hören. Wie sollte er diese Frau aus der Wohnung bringen, ohne dass die Situation eskalie r te?
    Barlis Stimme mischte sich leise unter das Hintergrundg e räusch: » Mein Fehler war zu denken, ich könnte die Statue wieder zum Leben erwecken. Doch sie, die das tun sollte, wollte nicht verstehen, dass die Illusion stärker ist als unsere Wirklic h keit. «
    » Von wem sprichst du? «
    » Von der anderen. Der lebenden Galatea, der neuen Lisbeth. Sie bekam Panik und drohte, alles zu zerstören. Ich sehe jetzt ein, dass ich mich damit begnügen muss, mit der Statue zu leben. Aber das ist in Ordnung. «
    Harry spürte, dass etwas auf dem Weg nach oben war. Es war kalt und kam aus seinem Magen.
    » Hast du schon mal eine Statue berührt, Harry? Das ist ganz schön faszinierend, wie sich die Haut einer Toten anfühlt. Weder richtig warm noch richtig kalt. « Barli streichelte die blaue Matratze.
    Harry spürte, wie ihn die Kälte innerlich lähmte, als hätt e i hm jemand eine Injektion mit Eiswasser gegeben. Seine Stimme klang beklommen, als er sagte: » Du bist erledigt. Darüber bist du dir doch wohl im Klaren? «
    Willy streckte sich auf dem Bett aus: » Warum denn? Ich bin bloß ein Geschichtenerzähler, der dir gerade eine Geschichte erzählt hat. Du kannst nichts beweisen. «
    Er reckte sich und griff nach etwas auf dem Nachttischchen.

Weitere Kostenlose Bücher