Das fünfte Zeichen
Verstecke, die man geruchsdicht versiegeln kann. Aber sie hierzuhaben bereitete dir gewiss eine perverse Befriedigung? Was hast du eigentlich mit dem Finger von Camilla Loen gemacht? Den du abgetrennt hast, bevor du sie getötet hast. «
» Camilla, ja … «
Barli nickte lächelnd, als hätte Harry soeben eine besonders nette Erinnerung aufgefrischt.
» Das bleibt ein Geheimnis zwischen ihr und mir. « Willy Barli entsicherte die Waffe.
Harry schluckte. » Gib mir die Pistole, Willy. Es ist vorbei. Das macht doch keinen Sinn. «
» Natürlich macht das Sinn. «
» Und was für einen? «
» Den gleichen wie immer, Harry. Dass die Vorstellung einen ordentlichen Schluss kriegt. Du glaubst doch wohl nicht, das Publikum ließe sich damit abspeisen, dass ich mich ruhig verhaften und abführen lasse? Wir brauchen ein großes Finale, Harry. Ein Happy End. Gibt es kein Happy End, dann mache ich eins. Das ist mein … «
» Lebensmotto «, flüsterte Harry.
Willy lächelte und hielt die Pistole an Harrys Stirn. » Ich wollte eigentlich sagen, Todesmotto. «
Harry schloss die Augen. Er wollte nur noch schlafen. Sich von einem rauschenden Fluss mitreißen lassen. Treiben. Auf die andere Seite.
R akel zuckte zusammen und schlug die Augen auf.
Sie hatte von Harry geträumt. Sie waren an Bord eines Schi f fes gewesen.
Das Schlafzimmer lag vollkommen im Dunkeln. Hatte sie etwas gehört? War etwas geschehen?
Sie lauschte dem Regen, der beruhigend auf das Dach tro m melte. Zur Sicherheit überprüfte sie das Handy, das eingeschal tet auf dem Nachttisch lag. Falls er anrief.
Sie schloss die Augen wieder. Trieb weiter.
Harry hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Als er die Augen wieder öffnete, schien das Licht anders in den leeren Raum zu fallen, und er wusste nicht, ob eine Sekunde oder eine Minute vergangen war.
Das Bett war leer. Willy Barli war verschwunden.
Das Geräusch fließenden Wassers übertönte wieder alles. Der Regen. Die Dusche.
Harry kam taumelnd auf die Beine und starrte auf die blaue Matratze. Es kribbelte ihm am ganzen Leib. Im Licht der Nachttischlampe sah er im Innern der Matratze die Kontur eines menschlichen Körpers. Das Gesicht war aufgetrieben und zeichnete sich ab wie ein Gipsabdruck.
Er verließ das Schlafzimmer. Die Terrassentür stand weit offen. Er trat ans Geländer und blickte hinunter in den Innenhof. Hinterließ nasse Fußspuren auf den weißen Treppenstufen, als er in die untere Etage ging. Öffnete die Tür zum Badezimmer. Die Silhouette eines Frauenkörpers hinter einem grauen Duschvo r hang spiegelte sich im Fenster. Harry zog den Vorhang zur Seite. Der Nacken von Toya Harang stellte sich dem Wasse r strahl, ihr Kinn berührte beinahe die Brust. Ein schwarzer Strumpf war um ihren Hals gebunden und oben am Duschkopf befestigt. Die Augen waren geschlossen, Wassertropfen hingen dicht in den langen, schwarzen Wimpern. Der Mund war halb geöffnet und mit einer gelben Masse gefüllt, die wie erstarrter Schaum aussah. Der gleiche Stoff füllte ihre Nasenlöcher, die Ohren und das kleine Loch in der Stirn aus.
Er stellte die Dusche ab, ehe er hinausging.
Auf der Treppe war niemand zu sehen. Harry setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Er fühlte sich benommen, wie versteinert.
Bjarne Møller.
Er musste Bjarne Møller anrufen.
Harry trat durch die Hofeinfahrt in den Innenhof. Der Regen nieselte sanft auf seinen Kopf, aber er nahm ihn nicht wahr. Bald würde er gänzlich gelähmt sein. Die Wäschespinne schrie nicht mehr. Er gönnte ihr keinen Blick. Da lag sie. Eine gelbe Schachtel am Boden. Harry öffnete sie, griff sich eine Zigarette und steckte sie in den Mund. Versuchte, sie mit dem Feuerzeug anzuzünden, bemerkte dann aber, dass die Spitze nass geworden war. Es musste Wasser in die Packung gelangt sein.
Bjarne Møller anrufen. Die Truppe hierher zitieren. Gemei n sam mit Møller ins Wohnheim fahren. Dort Sven Sivertsen verhören. Die Aussage gegen Tom Waaler sofort auf Band festhalten. Mit eigenen Ohren hören, wie Møller den Befehl gab, Hauptkommissar Tom Waaler festzunehmen.
Dann nach Hause. Nach Hause zu Rakel.
Ganz am Rande seines Blickfeldes konnte er die Wäschespi n ne sehen.
Er fluchte, brach die Zigarette durch, steckte den Filter zw i schen die Lippen und zündete sie im zweiten Anlauf an. Warum war er so gestresst? Es gab nichts, was er jetzt noch tun musste. Es war Schluss, aus, vorbei.
Er drehte sich zur Wäschespinne um.
Sie
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