Das fünfte Zeichen
Bier und eine Flasche Cognac. Oder lieber Whiskey? «
Harry presste die Zähne so fest aufeinander, dass die Füllu n gen schmerzten.
» Am besten wäre es allerdings «, fuhr Waaler fort, » wenn man sich noch ein paar Extras leisten könnte. Hin und wieder mal eine Urlaubsreise. Mit der Familie. In die Normandie, zum Beispiel. «
In Harrys Kopf hakte etwas aus, wie eine kleine Sicherung, die durchbrannte.
» Du und ich, wir sind in vielerlei Hinsicht verschieden, Harry. Was nicht heißt, dass ich dich als Fachmann nicht respektiere. Du bist zielbewusst, smart, kreativ, und deine Integrität steht außer Zweifel, dieser Ansicht war ich immer. Doch in erster Linie bist du mental fit. Eine nützliche Eigenschaft in einer Gesellschaft, in der die Konkurrenz immer härter wird. Leider wird diese Konkurrenz oft nicht mit den Mitteln ausgefochten, die wir uns wünschen würden. Doch wer gewinnen will, muss bereit sein, sich derselben Mittel zu bedienen wie die Konku r renten. Ach, und noch etwas … « Waaler senkte die Stimme: » Man muss in der richtigen Mannschaft spielen. In einem Team, mit dem man gewinnen kann. «
» Was willst du, Waaler? « Harrys Stimme zitterte.
» Dir helfen. « Waaler stand auf. » Es muss nicht so sein, wie es jetzt ist, weißt du … «
» So wie was? «
» Dass du und ich Gegner sind. Und der Kriminaldirektor dieses Dokument unterschreiben muss, du weißt schon … «
Waaler ging zur Tür. » Und dass du dir nie etwas Schönes leisten kannst für dich und deine Lieben … « Er legte die Hand auf die Klinke. » Denk darüber nach, Harry. Nur eines kann dir in dem Dschungel da draußen helfen. «
Eine Kugel, dachte Harry.
» Du dir selbst «, sagte Waaler und war verschwunden.
KAPITEL 11 Sonntag. Abschied
S ie lag im Bett und rauchte eine Zigarette. Studierte seinen Rücken vor der niedrigen Kommode. Die Schulterblätter bewegten sich unter der Seide seiner Weste und ließen sie in Nuancen von schwarz und blau schimmern. Ihr Blick glitt zurück zum Spiegel. Zu seinen Händen, die mit weichen, sicheren Bewegungen den Schlips banden. Sie mochte seine Hände. Mochte es, sie arbeiten zu sehen. » Wann kommst du wieder? «, fragte sie.
Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. Sein Lächeln. Auch dieses weich und sicher. Sie schob die Unterlippe ein wenig vor, bittend.
» So schnell ich kann, Liebling. «
Niemand sagte dieses Wort so wie er. Liebling. Mit diesem merkwürdigen Akzent und in dem singenden Tonfall, der sie fast dazu gebracht hatte, die deutsche Sprache wieder zu mögen.
» Ich hoffe morgen, mit der Abendmaschine «, sagte er. » Wa r test du auf mich? «
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Da lachte er. Und sie lachte auch. Verflucht, es gelang ihm immer wieder.
» Ich bin sicher, du hast einen Haufen Freundinnen, die in Oslo auf dich warten «, sagte sie.
» Das will ich doch hoffen. « Er knöpfte sich die Weste zu und nahm die Jacke vom Bügel im Kleiderschrank. » Liebling, hast du die Taschentücher gebügelt? «
» Ich habe sie neben die Strümpfe in den Koffer gepackt «, sagte sie.
» Ausgezeichnet. «
» Triffst du eine von ihnen? «
Er lachte, trat ans Bett und beugte sich über sie: » Was glaubst du? «
» Ich weiß nicht. « Sie schlang die Arme um seinen Nacken. » Ich finde, du riechst jedes Mal nach Frauen, wenn du nach Hause kommst. «
» Das liegt daran, dass ich niemals so viel Zeit vergehen lasse, dass dein Duft verfliegen könnte, Liebling. Wie lange ist das jetzt her, dass ich dich gefunden habe? Sechsundzwanzig Monate? Ich rieche jetzt seit sechsundzwanzig Monaten nach dir. «
» Und nach niemandem sonst? « Sie grub sich tiefer in die Kissen und zog ihn mit sich.
Er küsste sie leicht auf den Mund. » Nach niemandem sonst. Mein Flieger, Liebling … « Er machte sich frei.
Sie sah zu, wie er an die Kommode trat, eine Schublade öffn e te, den Pass und die Flugtickets herausnahm, sie in die Innentasche steckte und seine Jacke zuknöpfte. Das Ganze geschah in einer gleitenden Bewegung, mit einer unangestren g ten Effektivität und Sicherheit, die sie gleichermaßen sinnlich wie erschreckend fand. Hätte er nicht beinahe alle Bewegungen mit derselben minimalen Anstrengung ausgeführt, sie hätte ge glaubt, er habe das sein Leben lang trainiert: wegzugehen, zu verlassen.
Dafür, dass sie in den letzten zwei Jahren so viel zusammen gewesen waren, wusste sie erstaunlich wenig über ihn. Doch er hatte niemals verborgen,
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