Das fünfte Zeichen
proben im Gamle Aker-Gemeindehaus. «
» Gamle Aker? «
» Er ist von der Philadelphia-Gemeinde zur Bethlehems -G emeinde gewechselt. «
Das freie Taxi bremste, zögerte und beschleunigte dann wieder stadteinwärts.
Waaler grinste schief. » Man muss nicht den Glauben verlieren, um zu konvertieren, Harry. «
KAPITEL 12
Sonntag. Bethlehem
E s war acht Uhr am Sonntagabend, als Bjarne Møller gähnend die Schublade abschloss und die Hand nach dem Schalter der Schreibtischlampe ausstreckte. Er war müde, aber zufrieden. Der schlimmste Medienrummel nach dem Mord und der Vermisstenmeldung hatte sich gelegt, und er hatte das ganze Wochenende ungestört arbeiten können. Der Papierstapel auf seinem Schreibtisch, der sich zu Beginn der Ferien hoch aufgetürmt hatte, war bald halbiert. Und jetzt wollte er nichts als heim, einen kleinen Jameson trinken und sich die Wiederholung von › Beat for Beat ‹ anschauen. Er warf einen letzten Blick auf die aufgeräumte Tischplatte. Da fiel er ihm auf, ein brauner, gefütterter Umschlag. Møller erinnerte sich vage daran, ihn am Freitag aus dem Postfach genommen zu haben. Er war ganz offensichtlich hinter dem Aktenberg versteckt gewesen.
Møller zögerte. Das konnte bis morgen warten. Er befühlte den Umschlag. Es war etwas darin, etwas, das er nicht sofort einordnen konnte. Er öffnete das Kuvert mit einem Brieföffner und fuhr mit der Hand hinein. Kein Begleitbrief. Er drehte den Umschlag um, doch es fiel nichts heraus. Er schüttelte ihn fest und hörte schließlich, wie sich etwas aus dem Futter löste und auf den Schreibtisch fiel, zum Telefon kullerte und auf der Schreibunterlage über dem Dienstplan liegen blieb.
Die Magenschmerzen kamen plötzlich. Bjarne Møller krüm m te sich zusammen und blieb nach Atem ringend stehen. Erst nach einer Weile gelang es ihm, sich aufzurichte n u nd eine Nummer zu wählen. Wenn er nicht so außer sich gewesen wäre, hätte er vielleicht bemerkt, dass es genau die Nummer war, auf die der mit der Post gekommene Gegenstand deutete.
M arit war verliebt.
Wieder.
Sie blickte zur Treppe des Gemeindehauses. Das Licht fiel durch das runde Fenster der Eingangstür mit dem eingelassenen Bethlehemstern genau auf das Gesicht des neuen Jungen. Roy. Er sprach mit einem der älteren Mädchen aus dem Chor. Sie überlegte schon einige Zeit, wie sie ihn auf sich aufmerksam machen könnte, ihr war aber noch keine gute Idee gekommen. Zu ihm zu gehen und ein Gespräch zu beginnen wäre ein schlechter Start gewesen. Sie musste auf eine passende Gel e genheit warten. Bei der Chorprobe letzte Woche hatte er mit fester Stimme über seine Vergangenheit gesprochen. Er sei Mitglied der Philadelphia-Gemeinde gewesen. Und er habe vor seiner Bekehrung zu den Neonazis gehört! Eines der anderen Mädchen hatte gerüchteweise gehört, dass er am Körper tätowiert sei. Ein Nazisymbol. Sie waren sich alle einig, wie ekelhaft das war, doch Marit konnte nicht verhehlen, dass ihr Körper allein bei dem Gedanken daran vor Spannung kribbelte. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass sie sich nur deshalb in ihn verknallt hatte. Dass es das Neue war, das Unbekannte, diese knisternde, aber vorübergehende Spannung. Und dass sie zu guter Letzt bei einem anderen landen würde. Einem wie Kristian, dem Dirigenten des Chors. Seine Eltern waren G e meindemitglieder, und er selbst hatte bereits begonnen, auf Jugendtreffen zu predigen. Solche wie Roy landeten zu oft bei den Abtrünnigen.
Es war spät geworden an diesem Abend. Sie hatten ein neues Lied eingeübt und waren dann noch einmal das ganze Repertoire durchgegangen. Kristian machte das oft so, wenn neue Mitgli e der da waren, um ihnen zu zeigen, wie gut e r w ar. Normalerweise probten sie in ihren eigenen Räumlichkeiten im Geitmyrsvei, doch die waren in den Ferien geschlossen, so dass sie in das Gamle Aker-Gemeindehaus am Akersbakken auswe i chen mussten. Obgleich es nach Mitternacht war, standen sie wie gewöhnlich nach der Probe noch vor der Tür. Die Stimmen summten wie in einem Bienenstock, und irgendwie lag an diesem Abend eine ganz besondere Spannung in der Luft. Vielleicht wegen der Wärme. Oder weil die Verheirateten und Verlobten des Chores im Urlaub waren, so dass ihnen die lächelnden, wissenden, aber auch mahnenden Blicke erspart blieben, mit denen sie die Jüngeren bedachten, wenn ihnen deren Geflirte zu weit ging. Marit antwortete auf die Fragen ihrer Freundinnen, doch heimlich schielte sie die ganze Zeit
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