Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
irgendwann merkte, was das für Leute waren, denen er die Lehren meines Großvaters überlassen hatte, konnte er nicht mehr mit sich selbst leben. Er erhängte sich, genau wie einst Judas.»
«Welche Verbindung bestand zwischen Fulcanelli und Le Corbusier?», wollte Ben wissen. «Dem Architekten dieses Hauses?»
«Corbu und mein Großvater hatten eine ganz besondere Beziehung», antwortete sie. «Sie waren beide direkte Nachfahren der Katharer. Als Fulcanelli die verlorenen katharischen Artefakte entdeckte, führten sie ihn zu dem verborgenen Tempel, wo ihre Schätze lagerten. Das Haus des Raben wurde im Jahr nach dieser Entdeckung errichtet, als Hommage an den Tempel – und um die darin verborgenen Schätze bewachen zu können. Wer würde auf den Gedanken kommen, dass ein Haus wie dieses den Eingang zu einem heiligen Schrein markiert?»
«Fulcanelli hat hier mit Ihnen und Ihrer Mutter gelebt?», fragte Ben.
«Meine Mutter wurde in die Schweiz geschickt, um dort zu studieren. Mein Großvater blieb hier, bis 1930 meine Mutter frisch verheiratet mit ihrem Ehemann zurückkehrte. Zu diesem Zeitpunkt war sich mein Großvater sicher, dass seine Feinde seine Spur verloren hatten. Meine Mutter übernahm von ihm die Rolle des Wächters, und er ging fort. Fulcanelli verschwand einfach.» Antonia lächelte wehmütig. «Deswegen habe ich ihn auch nie persönlich kennengelernt. Er war eine rastlose Seele und überzeugt, dass es immer noch mehr zu lernen gab. Ich glaube, er ist nach Ägypten gegangen, um den Geburtsort der Alchemie zu erforschen.»
«Er muss damals schon sehr alt gewesen sein.»
«Er war Mitte achtzig, aber die Leute hielten ihn für einen Mann Mitte sechzig. Das Porträt, das Sie in seiner Bibliothek gesehen haben, wurde gemalt, kurz bevor er weggegangen ist. Ich wurde erst eine ganze Weile später geboren, 1940.»
Ben hob die Augenbrauen. Sie sah sehr viel jünger aus, als sie in Wirklichkeit war.
Sie bemerkte seinen Blick und lächelte geheimnisvoll. «Als ich erwachsen war, wurde ich zum Wächter des Hauses», fuhr sie fort. «Meine Mutter zog nach Nizza. Sie ist inzwischen Ende neunzig und immer noch sehr rüstig.» Sie zögerte. «Was meinen Großvater angeht, so haben wir nie wieder von ihm gehört. Ich denke, er hatte immer Angst, seine Feinde könnten ihn doch noch einholen. Deswegen hat er sich nie bei uns gemeldet und niemandem seine wahre Identität enthüllt.»
«Also wissen Sie nicht, wann er starb?»
Ein weiteres mysteriöses Lächeln ließ ihre Mundwinkel in die Höhe steigen. «Was macht Sie so sicher, dass er tot ist? Vielleicht ist er noch immer irgendwo dort draußen.»
«Sie glauben, das Elixier des Lebens hat ihn all die Jahre am Leben erhalten?»
«Die moderne Wissenschaft hat längst nicht alle Antworten, Ben. Sie versteht selbst heute kaum mehr als einen winzigen Bruchteil des Universums.» Antonia fixierte ihn mit ihrem durchdringenden Blick. «Sie haben so viele Risiken auf sich genommen, um das Elixier zu finden. Glauben Sie denn nicht an seine Macht?»
Ben zögerte. «Ich weiß es nicht. Ich möchte gerne daran glauben. Vielleicht muss ich es.» Er nahm Fulcanellis Journal und Rheinfelds Notizbuch sowie das Blatt mit dem von der Dolchklinge durchgepausten Symbol aus der Tasche und schob ihr alles hin. «Das gehört jetzt Ihnen. Hier ist es an seinem rechtmäßigen Platz.» Er seufzte. «So. Und was passiert jetzt?»
Antonia runzelte die Stirn. «Wie meinen Sie das?»
«Darf ich dieses Elixier mitnehmen? Lässt der Wächter zu, dass der Sucher die Flasche mitnimmt? Oder ist die nächste Kugel in der Mauser für mich reserviert?»
Ihre Augen glitzerten fröhlich, und Ben bemerkte die Ähnlichkeit mit dem Porträt ihres Großvaters. Sie legte eine Hand auf die elegante alte Pistole vor ihr. «Sie hat meinem Großvater gehört. Er hat sie meiner Mutter hinterlassen, für den Fall, dass unsere Feinde uns hier aufspürten. Doch sie ist nicht als Waffe gegen Sie gedacht, Ben. Mein Großvater war überzeugt, dass eines Tages ein wahrer Initiierter die Hinweise entschlüsseln würde, die er hinterließ, und dass er herkommen und das Geheimnis finden würde. Jemand von reinem Herzen, der seine Macht respektieren und es niemals missbrauchen oder verraten würde.»
«Das ist ein großes Risiko, das Sie mit mir eingehen», sagte er. «Wieso sind Sie so sicher, dass ich reinen Herzens bin?»
Antonia sah Ben beinahe liebevoll an. «Sie denken nur an das kleine Mädchen, Ben. Ich
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