Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
über die niedrige Balustrade in die Tiefe.
Noch während der Mann durch die Luft segelte, rannte Ben die steinerne Wendeltreppe hinunter. Bis der sich überschlagende Leib mit einem hässlichen Geräusch in den Spitzen des Eisengeländers vor der Kathedrale landete, gleich neben einer Gruppe Touristen, war Ben bereits ein gutes Stück die Treppe hinunter. Und als die ersten Touristen anfingen zu kreischen und andere herbeigestürzt kamen, um zu sehen, was passiert war, schlüpfte er unbemerkt aus der großen Kirche und mischte sich unter die aufgeregt durcheinanderredende, mit Fingern zeigende Menge.
Er war längst weit weg, bevor der erste Gendarm am Tatort auftauchte.
Kapitel 9
Luc Simon kam zu spät. Er hatte sich noch im Hauptquartier der Polizei den guten Anzug angezogen und im Laufen die Krawatte gebunden, während er zu seinem Wagen geeilt war. Seine Mitarbeiter hatten sich verblüfft gefragt, warum der Inspecteur so fein angezogen war und wohin er so eilig wollte.
Luc warf einen Blick auf seine Uhr, während er sich durch den Pariser Verkehr kämpfte. Der Tisch im Guy Savoy war für zwanzig Uhr reserviert, und nun würde er sich verspäten.
Erst kurz nach halb neun war er dort. Ein Kellner führte ihn durch den Raum. Das Restaurant war voll mit Gästen, die sich angeregt unterhielten. Im Hintergrund spielte leise Jazzmusik. Er erblickte Hélène an einem Tisch für zwei in der Ecke. Ihr glänzendes schwarzes Haar verdeckte ihr Gesicht, während sie angespannt in einem Magazin blätterte. Er orderte beim Kellner Champagner und ging zu ihr, um sie zu begrüßen.
«Lass mich raten», sagte sie mit einem Seufzer, als er ihr gegenüber an dem kleinen runden Tisch Platz nahm. «Du bist nicht rechtzeitig losgekommen.»
«Ich bin so schnell hergekommen, wie ich konnte. Es ist etwas passiert.»
«Wie üblich. Selbst an unserem Hochzeitstag kommt die Arbeit zuerst, nicht wahr?»
«So ist das eben: Mörder und Irre haben im Allgemeinen keinen Respekt vor den persönlichen Plänen anderer Leute», murmelte er und spürte, wie die inzwischen vertraute Spannungsbarriere zwischen ihnen hochfuhr. Auch das war nichts Neues. «Ah, da ist ja der Champagner.» Er gab sich große Mühe zu lächeln.
Sie saßen schweigend da, während der Kellner die Flasche entkorkte, ihre Gläser vollschenkte und die Flasche in den silbernen Eiskübel stellte. Luc wartete, bis er gegangen war. «Also dann … herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag.» Er stieß mit ihr an.
Sie beobachtete ihn schweigend.
Er spürte, dass es nicht besonders gut lief. «Hier.» Er kramte in seiner Tasche und holte ein Päckchen hervor. Er legte es vor ihr auf den Tisch. «Das ist für dich. Nur zu, mach es auf.»
Hélène zögerte zuerst, doch dann wickelte sie das Geschenk mit ihren langen, schlanken Fingern aus. Sie klappte das Kästlein auf und sah hinein. «Eine Omega Constellation?»
«Ich weiß, dass du dir immer eine gewünscht hast», erwiderte er und blickte in ihr Gesicht, während er auf eine Reaktion wartete.
Sie legte die Uhr zurück in die Schachtel und schob sie in die Mitte des Tisches. «Sie ist sehr schön. Aber sie ist nicht für mich.»
«Was soll das heißen? Natürlich ist sie für dich.»
Sie schüttelte traurig den Kopf. «Gib sie der nächsten Frau.»
Seine Miene verdüsterte sich. «Wovon redest du da, Hélène?»
Sie blickte auf ihre Hände und vermied es, ihn anzusehen. «Ich … ich möchte die Scheidung, Luc. Ich habe genug.»
Er schwieg lange. Der Champagner stand unberührt da und wurde schal. «Ich weiß, die Dinge sind nicht besonders gut gelaufen in letzter Zeit», sagte er schließlich, bemüht, mit ruhiger Stimme zu sprechen. «Aber es wird wieder besser, Hélène. Ich verspreche es.»
«Ich warte seit vier Jahren darauf, Luc. Es wird nicht besser. Es wird einfach nicht besser.»
«Aber … ich liebe dich. Zählt das denn überhaupt nichts?»
«Ich habe jemand anders kennengelernt.»
«Du hast dir einen wunderbaren Zeitpunkt ausgesucht, um mir das mitzuteilen.»
«Es tut mir leid. Ich habe es versucht. Aber ich sehe dich so gut wie nie! Wir mussten uns verabreden, damit wir heute zusammensitzen und uns unterhalten können.»
Er spürte, wie sich sein Gesicht verkrampfte. «Schön. Du hast jemand anders. Wer ist das Arschloch?»
Sie antwortete nicht.
«Ich … habe … dich … gefragt … wer … das … Arschloch … ist!», brüllte er und hämmerte bei jedem Wort mit der Faust auf den
Weitere Kostenlose Bücher