Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
er immer wieder an den Vorfall in der Kathedrale Notre-Dame und an seinen Beschatter denken. Die Geschichte verfolgte ihn. Er war vorsichtig gewesen auf dem Weg hierher. Immer wieder war er stehen geblieben, hatte in Schaufensterscheiben gesehen und sich die Menschen ringsum eingeprägt. Falls er jetzt immer noch beschattet wurde, dann von jemandem, der sein Handwerk verstand. Ben konnte beim besten Willen niemanden entdecken.
Er kontrollierte die Nummer an der Tür und betätigte den Summer. Einige Augenblicke später öffnete ein junger Mann mit dunklen, gelockten Haaren und blassem Teint die Tür. Die Räumlichkeiten, die Ben nun betrat, erwiesen sich als kleine, beengte Wohnung.
Eine Tür war mit Labor beschriftet. Er klopfte an, wartete eine Sekunde und trat ein.
Das Labor war nichts weiter als ein umfunktioniertes normales Zimmer. Arbeitsflächen bogen sich unter dem Gewicht von mindestens einem Dutzend Computern. Überall drohten gefährlich hohe Stapel von Büchern und Ordnern bei der kleinsten Berührung umzukippen. In einer Ecke gab es ein Spülbecken sowie eine Reihe von alten Instrumenten und Apparaten zur Durchführung von Experimenten. Reagenzgläser in einem Gestell, ein Mikroskop. Es gab kaum Platz für den Schreibtisch, an welchem eine junge Frau in einem weißen Laborkittel saß. Ben schätzte sie auf Anfang dreißig. Ihr dunkelrotes Haar war zu einem Knoten hochgesteckt und verlieh ihr eine Aura von Seriosität. Sie war attraktiv genug, um auf ein Make-up verzichten zu können. Ihr einziger Schmuck waren zwei einfache Perlenohrstecker.
Sie sah auf und lächelte, als Ben eintrat.
«Verzeihung», sagte er auf Französisch. «Ich suche Dr. Ryder?»
«Sie haben sie gefunden», antwortete sie auf Englisch. Sie sprach mit einem amerikanischen Akzent. «Bitte nennen Sie mich doch Roberta.»
Sie erhob sich und trat ihm entgegen. Die beiden schüttelten sich die Hand.
Roberta beobachtete ihn und wartete auf eine der Reaktionen, die ihr nur allzu bekannt waren: auf die unvermeidliche gehobene Augenbraue und die gespielte Überraschung, die in bestimmten Ausrufen – Oh , eine Frau! – oder in gewissen Sprüchen – Meine Güte, Wissenschaftlerinnen werden heutzutage immer attraktiver! – zum Ausdruck gebracht wurde. Nahezu jeder Mann, den sie traf, gab zu ihrer nicht geringen Verärgerung diese Art von Kommentaren ab. Es war beinahe ein Standardtest für sie geworden, mit dem sie die Männer einschätzte, denen sie begegnete. Genau die gleiche ärgerliche Art von Kommentaren bekam sie, wenn sie Männern von ihrem schwarzen Gürtel in Shotokan-Karate erzählte: Oh , dann passe ich wohl besser auf meine Finger auf. Bei solchen Sprüchen dachte sie immer nur eines: Alles Arschlöcher .
Doch als sie nun Ben Platz anbot, bemerkte sie nicht eine Spur von spöttischer Amüsiertheit in seinem Gesicht. Interessant . Er gehörte nicht zu der typischen Sorte von Engländern, die sie bisher kennengelernt hatte. Keine rosigen Wangen, kein Bierbauch, kein furchtbarer Geschmack in Bezug auf Kleidung und keine überkämmte Glatze am Hinterkopf. Der Mann ihr gegenüber war groß gewachsen – über eins achtzig –, schlank und durchtrainiert. Er trug legere Jeans und ein leichtes Jackett über einem schwarzen Polohemd. Sie schätzte, dass er etwa fünf oder sechs Jahre älter als sie war. Er besaß die tiefe Bräunung eines Menschen, der viel Zeit in einem heißen Land verbracht hatte, und das dichte blonde Haar war von der Sonne gebleicht. Mit einem Wort, er war genau die Sorte Mann, auf die sie stand – wäre da nicht eine ausgeprägte Härte in den Gesichtszügen gewesen und ein Ausdruck in den blauen Augen, der Kälte und Distanz vermittelte.
«Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, mich zu empfangen», begann er.
«Mein Assistent Michel sagt, Sie wären von der Sunday Times .»
«Das ist richtig. Ich arbeite an einem Artikel für unsere Magazinbeilage.»
«Aha? Und wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Hope?»
«Ben.»
«Okay, was kann ich für Sie tun, Ben? Ach, übrigens, das hier ist Michel Zardi, mein Freund und Helfer.» Sie deutete auf Zardi, der ins Labor gekommen war, um nach einer Akte zu suchen. «Hören Sie, ich wollte mir gerade einen Kaffee machen. Möchten Sie auch einen?»
«Kaffee wäre prima», antwortete Ben. «Schwarz, ohne Zucker. Ich müsste übrigens noch einen schnellen Anruf tätigen – haben Sie etwas dagegen?»
«Nein, nur zu.» Sie wandte sich zu Michel um. «Möchtest du
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