Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
Michels mageren Lohn zu zahlen und ihre Forschungsarbeit zu finanzieren. Die nächsten zwei, drei Monate würden zeigen, ob es weiterging oder ob ihr gar nichts anderes übrigblieb, als aufzugeben.
Gegen halb sechs kam sie von ihrem Training nach Hause zurück. Ihre Beine fühlten sich schwer an, wie immer nach dem Sport, als sie die Treppe hinaufstieg in den dritten Stock. Es war ein anstrengendes Training gewesen, und sie war verschwitzt von der Fahrt durch den Berufsverkehr.
Als sie ihren Treppenabsatz erreichte und den Schlüssel hervorzog, stellte sie fest, dass ihre Wohnungstür unverschlossen war. War Michel noch einmal zurückgekommen? Er war die einzige Person außer ihr, die einen Schlüssel besaß, abgesehen von der Concierge. Doch es sah ihm nicht ähnlich, die Tür offen stehen zu lassen.
Sie trat ein und spähte durch die leicht geöffnete Tür in das Laborzimmer. «Michel? Bist du das?»
Keine Antwort, keine Spur von ihm. Sie betrat das Labor.
«Ach, du heiliger …!»
Alles war auf den Kopf gestellt. Schubladen waren herausgerissen und ausgekippt worden, Akten und Unterlagen lagen über den Boden verstreut. Alles war durchwühlt. Doch das war es nicht, was sie mit offenem Mund und vor Schreck wie erstarrt dastehen ließ. Es war der große, schwarzgekleidete und maskierte Mann, der in diesem Augenblick auf sie zusprang.
Eine behandschuhte Hand schoss nach vorn, um ihre Kehle zu packen. Ohne nachzudenken, blockierte sie den Angriff, indem sie beide Hände hochriss und blitzschnell auseinanderstreckte, sodass seine Arme nach links und rechts geschlagen wurden. Der überraschte Angreifer zögerte einen Sekundenbruchteil – lange genug, um ihr Zeit für einen Tritt nach seinem Knie zu geben. Hätte sie getroffen, wäre der Kampf sofort zu Ende gewesen. Doch der Maskierte wich gerade noch rechtzeitig zurück, und sie streifte ihn nur am Schienbein. Er stieß ein schmerzerfülltes Grunzen aus und ging weiter rückwärts, geriet ins Stolpern und stürzte schwer.
Sie wandte sich um und wollte wegrennen. Doch er hechtete nach vorn, streckte den langen Arm aus und brachte sie zu Fall. Sie knallte mit dem Kopf gegen die Wand und sah Sterne. Bis sie wieder auf den Beinen war, hatte er sich aufgerappelt. Nun stand er nur zwei Meter von ihr entfernt, ein Messer in der Hand. Er kam auf sie zu, den Dolch hoch erhoben, um auf sie einzustechen.
Damit kannte sich Roberta ein wenig aus. Sie wusste: Ein geübter Messerkämpfer hält die Waffe zunächst dicht am Leib und sticht dann zu, wobei er die Rückenmuskeln einsetzt, um dem Stoß tödliche Wucht zu verleihen. Der Angegriffene kann in einem solchen Fall kaum etwas unternehmen, um den Arm zu blockieren oder gar dem Angreifer die Waffe zu entwenden.
Doch der Stich von oben nach unten, mit dem Messer in einem Unterhandgriff, das war eine ganz andere Sache. Theoretisch zumindest wusste sie, dass sie seinen Angriff blockieren konnte. Theoretisch . Im Karate-Club hatten sie immer nur mit einem Gummimesser geübt und dann niemals mit größter Schnelligkeit.
Aber diese Klinge hier war aus Stahl und sauste mit voller Wucht herab. Roberta jedoch war schneller. Sie erwischte sein Handgelenk und drehte es seitwärts nach außen, während sie mit der anderen Hand mit all ihrer Kraft seinen Ellbogen in die entgegengesetzte Richtung drückte. Gleichzeitig ging sie in den Gegner hinein und riss das Knie nach oben, in Richtung seines Schritts.
Es funktionierte. Sie spürte ein grässliches Knacken, als sein Ellbogengelenk nachgab. Hörte seinen Schrei dicht an ihrem Ohr. Er verlor das Gleichgewicht. Das Messer fiel aus seiner kraftlos gewordenen Hand; gleichzeitig kippte er um. Sein stürzender Körper befand sich direkt über der Klinge. Er krachte bäuchlings auf den Boden und schrie erneut.
Sie stand über ihm und sah voller Entsetzen, wie er sich krümmte und auf den Rücken rollte. Das Messer steckte bis zum Heft in seiner Brust. Durch den Schwung des Sturzes und sein eigenes Gewicht war er in seine Klinge gestürzt. Er packte den Griff und versuchte mit zuckender Hand, die Klinge herauszuziehen. Doch nach ein paar Sekunden wurden seine Bewegungen langsamer, die Zuckungen ließen nach, und dann lag er still. Unter ihm auf den Fliesen bildete sich eine Blutlache, die rasch größer wurde.
Roberta zitterte am ganzen Leib. Verzweifelt kniff sie die Augen zusammen. Vielleicht war alles nur ein Traum. Vielleicht lag da kein Toter in seinem eigenen Blut auf dem Boden,
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