Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
wenn sie die Augen wieder aufschlug. Aber nein, da lag er und starrte aus glasigen, leblosen Augen zu ihr hinauf, den Mund halb geöffnet wie ein Fisch auf einem Hackbrett.
Jede Nervenfaser in ihrem Leib schrie ihr zu, wegzulaufen, doch sie kämpfte gegen den Impuls an. Langsam, mit wild schlagendem Herzen, ging sie neben dem Toten in die Knie. Sie streckte eine zitternde Hand aus und schob sie tastend in die Brusttasche seiner schwarzen Jacke. Sie fand ein kleines, zur Hälfte blutgetränktes Notizbuch, zog es hervor und blätterte die tropfenden Seiten um. Sie schauderte vor Abscheu, während sie nach einem Namen oder irgendeinem Hinweis suchte.
Das Notizbuch war fast völlig unbeschrieben. Dann, auf der allerletzten Seite, fand sie zwei mit Bleistift geschriebene Adressen. Die eine war ihre Anschrift. Die andere war die von Michel.
Waren sie schon bei ihm? Sie kramte ihr Handy hervor, blätterte fieberhaft das Adressbuch bis zum Anfangsbuchstaben Z durch und drückte die Wähltaste. «Komm schon, komm schon!», murmelte sie aufgeregt, während sie wartete.
Keine Antwort. Nur die Mailbox meldete sich.
Sie überlegte kurz, ob sie die Polizei rufen sollte. Doch dafür war jetzt keine Zeit – es würde eine Ewigkeit dauern, bis man sie mit einem zuständigen Beamten verbunden hätte. Sie musste so schnell wie möglich zu Michels Wohnung. Entschlossen trat sie über die Leiche und öffnete vorsichtig die Wohnungstür.
Sie spähte durch den Spalt nach draußen. Die Luft war rein. Sie trat hinaus, zog die Tür hinter sich ins Schloss und rannte die Treppe hinunter.
Sie hielt mit einer Vollbremsung vor Michels Wohnhaus und rannte zum Eingang, wo sie hektisch auf den Klingelknopf neben seinem Namensschild drückte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, während sie ungeduldig wartete. Niemand öffnete.
Nach zwei oder drei Minuten erschien ein lachendes Pärchen im Eingang und verließ das Gebäude. Roberta nutzte die Gelegenheit und schlüpfte durch die sich langsam schließende Tür ins Haus. Sie fand sich in einem langen, dunklen Flur wieder, der zu einer Holztreppe und dann in den Hinterhof führte. Unten im Erdgeschoss lag nicht nur die Wohnung der Concierge, sondern auch die von Michel. Sie klopfte an seine Tür. Keine Antwort. Sie rannte durch den Flur und nach draußen in den Hof. Michels Badezimmerfenster stand ein klein wenig offen. Sie kletterte auf das Sims. Das Fenster war recht schmal, aber sie war schlank genug, um sich hindurchzuwinden.
Auf leisen Sohlen schlich sie von einem Zimmer zum nächsten. Nirgendwo eine Spur von Michel. Doch eine leere Kaffeetasse gleich neben den Resten einer Mahlzeit fühlte sich noch warm an, und der Laptop auf seinem Schreibtisch blinkte zugeklappt im Standby. Er ist anscheinend nur kurz rausgegangen , dachte sie. Was bedeutete, dass ihm nichts zugestoßen war. Sie spürte, wie die Erleichterung ihre Muskeln erschlaffen ließ. Vielleicht kam er gleich wieder zurück.
Dann läutete sein Telefon, und sie zuckte zusammen. Nach zweimaligem Klingeln schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Michels vertraute, murmelnde Stimme ertönte im Lautsprecher, gefolgt von einem Piepton, bevor der Anrufer seine Nachricht hinterließ.
Sie lauschte der tiefen, rauchigen Stimme. «Hier ist Saul», sagte die Stimme auf Französisch. «Ihr Bericht ist angekommen. Der Plan wurde ausgeführt. BH wird heute Nacht erledigt.»
Was hatte das zu bedeuten? Was für ein Bericht? Was hatte Michel dem Anrufer geschickt, und wer war dieser Saul überhaupt? Hatte Michel, ihr Freund und Assistent – und ein Mann, dem sie vertraute –, etwa auch seine Finger in dieser Sache? Der Plan wurde ausgeführt. Sie erschauerte. Bedeuteten die Worte wirklich das, was sie zu verstehen glaubte?
Sie trat zum Schreibtisch und klappte den Deckel von Michels Laptop auf. Der Rechner erwachte rasch zum Leben. Sie klickte auf das E-Mail-Symbol, und ein Fenster öffnete sich. Ihr wurde schwindlig, als sie die Liste der verschickten E-Mails durchblätterte. Nicht lange, und sie hatte eine Reihe von versendeten Dateien entdeckt, die allesamt als «Bericht» markiert waren. Michel hatte sie in aufsteigender Reihenfolge nummeriert; die ältesten waren einige Monate alt, die jüngsten stammten aus den vergangenen Wochen. Roberta überflog die Daten; die Berichte waren in regelmäßigen Abständen von etwa vierzehn Tagen versendet worden.
Sie klickte auf einen der jüngsten. Ein neues Fenster öffnete sich, und sie
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