Das ganze gleich nochmal
schaffen.”
Er wartete einige Sekunden, bis er sich beruhigt hatte.
“Das Vieh verhungert, weil das Gras verdorrt ist. Am liebsten würden die Rinder Kakteen fressen, aber das müssen wir verhindern. Ihr Magen verträgt es nicht.” Houston bog in die Zufahrt zur Ranch ein. “Wir müssen erst die Stacheln von den Kakteen wegbrennen und auf Regen hoffen.”
“Kann ich euch helfen?”
“Das ist harte Arbeit in der Hitze, Carley. Ich werde mit einigen der Jungs draußen auf der Weide zelten, damit wir das Tageslicht besser ausnutzen. Und wir müssen schnell arbeiten, weil das Vieh nicht mehr lange durchhält.” Er bremste vor dem Hauptgebäude. “Da kannst du gar nicht helfen. Ich werde nicht einmal Zeit zum Nachdenken haben, und genau das brauche ich jetzt. Wirst du noch hier sein, wenn wir fertig sind?”
“Ich werde hier sein.”
“Ja, dann … Vielleicht können wir später wieder über alles reden.”
Sie sah ihn hoffnungsvoll an, obwohl sie nicht davon ausgehen konnte, dass er wieder ihr Partner und Liebhaber wurde. Wenn er sich nicht an seine Vergangenheit erinnerte, würde er es nicht aushalten, mit ihr zusammen zu sein, weil es für ihn zu schmerzhaft wäre, dass sie sich daran erinnerte, wer er früher gewesen war.
“Aber vielleicht wird es auch gar nicht viel zu reden geben”, fügte er hinzu. “Wir werden sehen.”
Der nächste Tag begann heiß und schwül, doch Carley merkte es kaum. Die Nacht über hatte sie sich ruhelos im Bett gewälzt und ständig an Houstons Worte gedacht … und an seine Küsse.
Das Herz war ihr fast stehen geblieben, als er sagte, dass er sie nicht in seiner Nähe haben wollte. Er ließ sich nicht von ihr helfen. Und er bot ihr nicht einmal die Möglichkeit, eine neue Beziehung aufzubauen. Das Schlimmste aber war, dass er ihr nicht vertraute und sogar glaubte, sie könnte ihm wehtun.
Sie erledigte ihre Pflichten und versorgte Cami, war jedoch nicht bei der Sache. Cami fühlte, dass ihre Mutter unglücklich war, und weil sie nicht verstand, was los war, verhielt sie sich wie alle kleinen Kinder – sie weinte und quengelte.
“Cami, du bist heute Morgen eine kleine Nervensäge. Sei bitte brav. Mom ist selbst genervt, und du machst es bestimmt nicht besser.” Carley band ihr den Schnürsenkel zu und stellte sie auf den Boden. “Möchtest du selbst zum Frühstück gehen? Komm schon, du schaffst das.”
Cami sah sie verblüfft an. Seit Wochen unternahm sie bereits Gehversuche, hatte sich dabei aber stets irgendwo festgehalten. Jetzt stand sie ganz allein auf eigenen Beinen, landete prompt auf dem Po und stieß einen Wutschrei aus.
Seufzend zog Carley sie wieder hoch. “Im Moment scheint mir niemand zu vertrauen.” Sobald Cami das Gleichgewicht gefunden hatte, ließ Carley die eine Hand los und hielt nur die andere fest. “Also schön, du kannst es allein, aber du glaubst mir noch nicht. Darum gehen wir jetzt gemeinsam, und ich lasse dich nicht los.”
Alles lief schief. Cami machte während des ganzen Frühstücks Terror. Carley verschüttete Kaffee auf sich und dem Fußboden. Nachdem die Folgen der Katastrophen beseitigt waren, wollte sie Cami im Tagesraum abgeben, doch die Kleine klammerte sich an sie und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Keine der Betreuerinnen und keines der Kinder brachte Cami dazu, ihre Mutter loszulassen und dazubleiben. Sie krallte sich schreiend in Carleys Haar fest. Da Carley vermutete, dass die Kleine letztlich nur den Schmerz und die Sorge auslebte, die ihre Mutter ausstrahlte, setzte sie sich mit Cami auf den Linoleumboden und wiegte sie. Das Kind legte den Kopf an die Schulter der Mutter und weinte.
Bald schon kamen die anderen kleinen Kinder zu ihnen und wollten die unglückliche Spielgefährtin trösten. Allerdings wussten sie ebenso wenig, was sie machen sollten, wie Cami wusste, warum sie so unglücklich war.
Ein reizendes dunkelhaariges Mädchen tätschelte Cami den Rücken. “
Ta bueno.
Ist ja gut.”
Carley hatte so viel Mitleid mit sich selbst und ihrem vaterlosen Kind gehabt, dass sie völlig vergessen hatte, dass diese Kinder überhaupt niemanden hatten. Trotzdem bemühten sie sich um Cami und wollten sie trösten.
Während sie Cami weiterhin wiegte, betrachtete Carley die Kleine, die noch immer ihre Tochter streichelte. Die großen braunen Augen und die dunkle Haut deuteten auf mexikanische Herkunft hin. Wie waren alle diese Kinder in einem dermaßen abgelegenen Heim wie dem
Casa de Valle
gelandet?
Carley
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