Das ganze gleich nochmal
handelte.
Zum Glück hatte er sie seit dem Abend, an dem er sich Zeit erbeten hatte, nicht mehr gesehen. Allerdings hatte ihn das nicht davon abgehalten, von ihr bei Tag und Nacht zu träumen. Anstatt nur an die Arbeit zu denken, hatte er sich ihr Gesicht vorgestellt.
Er konnte sich auf nichts konzentrieren. Der unerledigte Schreibkram stapelte sich, und die neuen Arbeitspläne für die Jugendlichen lagen noch auf seinem Schreibtisch und mussten von ihm abgesegnet werden.
Heute begannen die Sommerferien der schulpflichtigen Kinder im Heim. Morgen früh würde es im Stall von Kids wimmeln, die darauf warteten, Aufgaben zugewiesen zu bekommen.
Houston schüttelte die Träume ab und ging zu seinem Büro. Unterwegs sah er nach den Tieren, die Teil eines speziellen Programms für die Kinder waren – Ferkel, Küken, Kälber und Lämmer, Schafe, die Spezialfutter bekamen.
Eigentlich sollte es ihn stören, dass ihm die Projekte der Kinder zusätzliche Arbeit aufhalsten, aber er fand die Jungtiere niedlich. Und es freute ihn, dass alle Kinder sich die Pflichten teilten. Es war schön, dass diese Kinder, die sonst keiner wollte, den Tieren Liebe schenkten und von ihnen erhielten. Außerdem sorgte die harte Arbeit bei den Kindern für kräftige, gesunde Körper.
Jetzt musste er sich aber beeilen und sich um die Arbeitseinteilung kümmern, bevor die Jugendlichen im Stall auftauchten. Behutsam führte er die Stute von den Futtertrögen weg, als etwas gegen sein Schienbein prallte.
Eines der Kleinkinder klammerte sich an sein Bein, quietschte laut, ließ wieder los und wollte weglaufen, direkt unter die Hufe des Pferdes.
“Halt, hiergeblieben, Spatz! Wohin willst du denn so ganz allein?” Er hob das Kind hoch, damit es nicht niedergetrampelt wurde. “Bist du auf Entdeckungsreise?”
Das Kind strampelte und kicherte. Houston hielt es fest, obwohl es sich wand und drehte. Vermutlich war es ein Mädchen, nach den rosa Rüschen zu urteilen, die jetzt allerdings total schmutzig waren. Als sich die Kleine endlich etwas beruhigt hatte, wischte er ihr den Staub vom Gesicht.
“Also, wenn das nicht Carleys kleines Mädchen ist. Wie heißt du denn? Cami, nicht wahr?”
Die Kleine sah ihn an und riss die Augen auf. Zuerst hatte er gedacht, sie hätten die gleiche Farbe wie Carleys Augen, doch aus der Nähe stellte er fest, dass nur die Form von der Mutter stammte. Die Farbe war eher blaugrün als grün. Eine interessante Kombination.
Cami betrachtete ihn so ernst, dass er schon fürchtete, sie würde gleich weinen. Suchend sah er sich nach einer Betreuerin um, weil er keine Ahnung hatte, was er mit einem weinenden Kind machen sollte. Außerdem war er ausgerechnet an das Kind geraten, das ihn verunsicherte.
Cami drückte Houston das schmutzige Händchen an die Wange. “Dada.”
Armes vaterloses Würmchen, dachte er. Die Kleine sehnte sich dermaßen nach einem Vater in ihrem Leben, dass sie sich an den Erstbesten klammerte, der sie hochhob.
Er drückte sie fest an sich und sah sie sich genauer an. Dabei fiel ihm auf, wie sehr sie ihm ähnelte. Und je länger er sie auf dem Arm hielt, desto geringer wurde seine Unsicherheit. Es war fast, als würde sie zu ihm gehören.
Konnte sie seine Tochter sein? War das möglich? Ausgeschlossen! Carley hätte es ihm gesagt. Etwas so Wichtiges hätte sie ihm bestimmt nicht verschwiegen. Sie hatte zugegeben, dass sie früher ein Liebespaar gewesen waren. Es hatte sich angehört, als wäre das schon lange her. Doch er hatte das Gefühl, als hätte die Beziehung bis zu seinem Verschwinden angedauert.
Nein, Cami sah ihm nur zufällig ähnlich.
Plötzlich kam ihm ein unerwarteter Gedanke. Warum sollte er bei Carleys Tochter nicht ersatzweise die Vaterstelle einnehmen, solange die beiden auf der Ranch waren? Er hätte gern den Mistkerl ersetzt, der sie verlassen hatte.
Nachdem er einige Tage lang nachgedacht hatte, war er zu einem Entschluss gekommen. Er wollte mehr Zeit mit Carley verbringen, um herauszufinden, was sie fühlte und ob sie einen Schlussstrich unter die Vergangenheit setzen und sich eine Zukunft mit ihm vorstellen konnte.
Dieses Kind, das sich nach einem Vater sehnte, war ein weiterer guter Grund, seine Beziehung mit Carley zu erneuern. Vielleicht …
“Cami, da bist du ja! Und dir ist nichts geschehen!” Carley stürmte in den Stall und nahm Houston die Kleine ab. “Sie ist Rosie weggelaufen.”
Carley drückte Cami an sich und strich ihr übers Haar. Dabei sah sie
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