Das ganze gleich nochmal
war entschlossen, die Herkunft der Kinder zu ergründen und festzustellen, ob sie auch rechtmäßig hier waren. Und dafür musste sie erst einmal Ordnung in die Unterlagen bringen. Sie setzte Cami zwischen ihre Freundinnen und stand auf. Wenn diese kleinen Kinder stark sein konnten, würde ihre Tochter es ja wohl auch schaffen.
“Cami, ich muss jetzt arbeiten”, erklärte sie energisch. “Sei ein braves Mädchen und spiel mit deinen Freundinnen. Ich komme später wieder.”
Sie ging zur Tür, und als sie einen Blick zurückwarf, drehte Cami sich nicht einmal um.
Zwei Tage später rief Carley ihren Boss an und erwischte Reid in seinem Büro. Er war zwar eindeutig in Eile, nahm sich jedoch für ihre Probleme Zeit.
“Die Akten sind unmöglich. Allmählich glaube ich, dass jemand sie absichtlich so schlampig angelegt hat”, erklärte sie. “Und Houston hat sich nicht mehr gezeigt, seit … nun ja, seit wir ausgegangen sind.”
“Es gefällt mir nicht, dass Davidson irgendwo herumläuft, ohne zu wissen, wer er ist”, antwortete Reid.
“Die Jugendlichen in meinem Antiaggressionskurs behaupten, dass er bei den Kühen auf der Weide besser aufgehoben ist als in einem Auto auf dem Highway. Offenbar findet er sich auf der Ranch gut zurecht.”
“Hoffentlich kommt er heute zurück. Ich möchte, dass Sie ihn beschützen. Ist das klar?”
“Ja, Sir.” Carley zögerte mit ihrer Bitte, weil ihr Boss in Eile und überarbeitet war, aber sie brauchte seine Hilfe. “Reid, könnten Sie mir die Kopien der Unterlagen des
Casa de Valle
bei der Jugendfürsorge beschaffen?”
“Nun, das könnte eine Weile dauern. Ich muss mich an eine bestimmte Vorgehensweise halten. Vielleicht brauchen wir dafür sogar einen richterlichen Beschluss.”
“Könnten Sie es wenigstens versuchen? Ich habe mich an eine hiesige Mitarbeiterin des Jugendamtes gewandt und lade sie diese Woche noch zum Essen ein. Allerdings fürchte ich, dass ich mir an ihr die Zähne ausbeißen werde.”
“In Ordnung, ich leite alles Nötige in die Wege. Vielleicht stoße ich im Archiv der Behörde auf einen alten Freund, der die Sache beschleunigt. Brauchen Sie sonst noch etwas?”
“Mehr Zeit. Ich glaube nicht, dass Houston innerhalb von zwei Wochen wirklich eine Chance hat, sein Gedächtnis wiederzufinden.”
“Mehr als zehn Tage kann ich Ihnen nicht einräumen. Die Lage spitzt sich allmählich zu. Ich brauche Sie hier. Wir mussten sogar Manny aus dem Tal abziehen und zu einer verdeckten Ermittlung nach Mexiko schicken. Ach übrigens – er hat die Unterlagen für Sie abgeschickt und dafür gesorgt, dass sie nur Ihnen persönlich ausgehändigt werden.”
“Manny ist nicht mehr im Rio Grande Valley?” Carley hatte auf ihn gezählt, falls etwas schiefging.
“Nein. Sie müssen sehr vorsichtig sein. Ein Informant behauptet, dass innerhalb der nächsten zehn Tage eine größere Sache mit Kindern läuft. Wir haben zwar keine direkte Verbindung zu Ihrem Heim gefunden, aber mein Gespür sagt mir, dass Sie sich in der Nähe des Zentrums des Babyhändlerrings befinden.”
“Soll ich die Kinder in Sicherheit bringen?”
“Nein, die Kinder dürften nicht in Gefahr sein. Außerdem wollen wir doch nicht, dass die Verbrecher gewarnt werden und untertauchen. Halten Sie die Augen offen, und falls Sie Unterstützung brauchen, sind wir zur Stelle.”
Schweren Herzens schaltete sie das Handy ab. Die Zeit reichte nicht, um Houston umzustimmen und sein Vertrauen zu erringen. Carley war ziemlich sicher, dass in zehn Tagen ihre Zeit ablaufen würde.
Houston wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und setzte den Hut wieder auf. Er führte die Stute durch den Stall zur Koppel. Die letzten Tage hatten ihm und den Pferden alles abverlangt.
Er und die anderen Männer hatten für das Vieh getan, was sie konnten. Von einer benachbarten Farm hatten sie sogar eine Ladung Heu erhalten. Jetzt lag alles Weitere in den Händen von Mutter Natur.
Houston war froh, dass Pferde und Männer sich ausruhen konnten. Er selbst brauchte aber dringend wieder eine Aufgabe.
Sobald er zu arbeiten aufhörte, kehrten die Bilder zurück, mit denen ihn seine Fantasie gequält hatte – Bilder von Carley, wie sie unter ihm lag, ihn verführerisch anlächelte, ihm die Arme entgegenstreckte und ihn anflehte, sie zu lieben. Er glaubte, ihre Haut unter den Fingern zu fühlen, und er vermutete, dass es sich dabei um eine echte Erinnerung und nicht nur um Wunschdenken
Weitere Kostenlose Bücher