Das ganze gleich nochmal
sich auf die Unterlippe, und in ihren Augen las er den gleichen Schmerz, den er empfand.
“Wie heiße ich?”
“Witt”, sagte sie und räusperte sich. “Witt Davidson.”
“Witt?”, wiederholte er und lauschte auf den Klang des Wortes. “Kein toller Name, nicht wahr?”
“Mir hat er stets gefallen. Er klingt so kraftvoll – das passt zu dir.”
“Es wäre mir lieber, wenn du mich weiterhin Houston nennst”, verlangte er und fühlte sich nicht im Geringsten kraftvoll, ganz im Gegenteil. Seine Hände zitterten so heftig, dass er wieder das Lenkrad packte. “An diesem Namen kann ich mich festhalten. Den kenne ich.”
Carley lächelte sanft. “Natürlich. Ich habe dir schon gesagt, dass du nichts überstürzen sollst. Wenn du dich zu sehr bemühst, verschließen sich deine Erinnerungen nur noch tiefer in dir.”
“Habe ich Familie? Eltern? Geschwister? Vielleicht eine Frau und Kinder, die mich brauchen?”
“Deine Eltern sind schon gestorben, als du noch sehr jung warst. Deine Großeltern haben dich auf einer Ranch in West Texas großgezogen. Sie leben auch nicht mehr. Du bist ein Einzelkind, und du hast nie geheiratet.”
“Dann gibt es also niemanden, der sich dafür interessiert, wo ich bin und wie es mir geht?”
“Mir bedeutet es etwas.”
“Und das führt uns zur nächsten Frage. Wie hast du mich gefunden? Und warum hast du mich gesucht?” Plötzlich hatte er Angst, sie könnte doch eine Bedrohung für ihn darstellen.
“Ich habe dich durch Manny Sanchez gefunden. Ihr habt vor einigen Jahren zusammengearbeitet. Er hat dich erkannt und mich verständigt.”
“Manny?” Wenn man sich nicht an die Vergangenheit erinnerte, wusste man wirklich nicht, wem man vertrauen konnte. “Was für eine Arbeit war das? Kriminell? Legal? Und was hast du damit zu tun?”
“Es war nicht kriminell.” Sie sah ihn so eindringlich an, dass es ihn tief berührte. “Wir waren nicht nur ein Liebespaar”, fuhr sie leise fort, “sondern auch Partner. Wie haben beide für das Gesetz gearbeitet, Houston. Bestimmt wirst du dich irgendwann daran erinnern und zu deiner früheren Arbeit zurückkehren können. Du brauchst nur Zeit.”
Jetzt drehte er sich ganz zu ihr herum. “Wie wurde ich verletzt? Wer hat auf mich geschossen?”
“Das weiß ich nicht. Du bist spurlos verschwunden, von einer Minute auf die andere”, flüsterte sie und senkte den Kopf.
Der Frust machte ihn blind vor Verlangen. Er packte Carley an den Schultern und küsste sie auf die Lippen, denen er nicht widerstehen konnte. Einen Moment lang saß sie wie erstarrt da. Dann stöhnte sie leise und kam ihm entgegen.
Das war kein sanfter und verträumter Kuss wie auf der Tanzfläche. Von Frust und Verzweiflung getrieben, nahm er Besitz von ihrem Mund und zog sie stürmisch an sich, sodass ihre weichen Brüste an ihn gepresst wurden.
Sein raues Verhalten erschreckte Carley nicht, im Gegenteil. Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und klammerte sich an ihn, bis er schließlich Atem holen musste und sich zurückzog.
Er ließ den Blick über ihre halb geschlossenen Augen und die Lippen gleiten. Auch jetzt erinnerte er sich nicht an seine Vergangenheit. Dass Carley mehr über ihn wusste als er selbst, war fast unerträglich. Die Frau in seinen Armen hatte eine Vergangenheit und besaß auch den Schlüssel zu seiner.
“Ich kann nicht mehr. Ich will nichts mehr hören.” Er schob sie von sich, startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas.
Blitzartig rammte er den Fuß aufs Bremspedal, als ihn die Albträume wieder packten. Er glaubte Carley. Er stand auf der Seite des Gesetzes und nicht derjenige, der ihm das alles angetan hatte. Wer war es gewesen?
Er rieb sich die Stirn und gab wieder Gas. Schlingernd jagte der Pick-up über den Parkplatz und wirbelte Staub und Steinchen hinter sich auf.
“Du musst mir Zeit lassen, damit ich das alles verdauen kann.” Houston konzentrierte sich auf die Straße, fühlte jedoch deutlich Carleys innere Anspannung.
“Ich möchte dir helfen, Houston. Bitte, stoß mich nicht von dir.” Sie wollte ihn am Arm berühren, zog die Hand jedoch wieder zurück. “Vielleicht könnte ich …”
“Nein”, wehrte er schroff ab, doch dann sah er wieder Tränen in ihren Augen. Verdammt, er wollte ihr nicht wehtun, aber er musste sich schützen. Und er brauchte Zeit zum Nachdenken. “Sieh mal, ich werde in den nächsten Tagen auf der Ranch viel zu tun haben. Die Dürre macht uns schwer zu
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