Das Gastgeschenk der Transsolaren
gemessen.
Stunden später: Sie sandten uns eine Serie scheußlicher Bilder. Die 12 P im Scheinwerferlicht, bedenklich schief, inmitten bewegter Nebel. Aus dem Boden stiegen da und dort gehäuft, anderswo weniger dicht, feine und grobe Rauchfäden. Geschwind strebten sie nach oben und schienen aus Düsen zu zischen, obgleich ihre Bahn durchaus nicht gerade verlief, sondern sich im Aufwärtssteigen wellig wand. Es sah aus wie ein ins Gigantische vergrößerter Wald gewisser Wasserwürmer, die in dichten Massen mit dem Ende fest im Boden stecken und ihr kiementragendes Vorderteil pendeln lassen. Zwischen diesen schlanken, flüchtigen Gebilden puffte Dampf in kleineren und größeren Wolken aufwärts, verlor sich dort, vermischt mit den Rauchsäulen im dunkel Ungewissen. In der Kälte erstarrte die emporgeschleuderte Substanz zu wirbelndem Geriesel winziger Kristalle. Flimmernd und kraftlos durchbrach der Glanz der Sterne den Dunst.
Wie immer fand Anzew die ersten Worte. »Sieht aus wie Zeitraffertrick«, warf er in unser bestürztes Schweigen.
Er hatte recht. Die absonderliche Hast der Strömung war auffällig und mochte auf einer bedeutenden Temperaturdifferenz zwischen Boden und Atmosphäre beruhen.
Abrupt wurden diese Gedanken abgeschnitten, als sich die Kamera nach unten richtete und den Ursprung jenes fatalen Rauches aus nächster Nähe enthüllte.
Der glasige Grund zersetzte sich. Von Hitze oder Gärung aufgetriebene Massen bewegten sich, zähe zerfließend, aber nicht wie eine homogene Substanz, die kocht, sondern wie der grotesk beschleunigte Prozeß der Verwesung: Durch aufbrechende Decken zwängten sich dünnhäutige Blasen, von Gas aufgebläht, bis sie platzten. Daneben öffneten sich viele kleine Krater, die aus feuchtem Kanal jene fahlfarbenen Dampfsäulen entließen. Rundum wechselte brodelndes Öffnen von Schlünden und klatschendes Zusammenfallen schillernder Auftreibungen.
Bei uns herrschte verstörte Stille. Erst als Sarah flüchtete, kamen wir Männer wieder zur Besinnung. Da aber schrie Minehoa auf: Durch das von Lichtbündeln gespenstisch durchleuchtete Dünsten und Brodeln näherte sich riesig ein vager Schatten, mit großen Bewegungen rudernd, dunkel, aber von ungewisser Helle umstrahlt. Da trat er ins Klare: Es war einer der Männer im Skaphander. Wer? Sein Abbild erschien durch Qualm und Gegenlicht geisterhaft verzerrt und vergrößert. Wir sahen, wie die Masse fadenziehend an seinen Füßen haftenblieb. Er winkte heftig und wies mit dem Arm nach links, rief Unverständliches und trat dann, auf uns zu tappend, nach links aus dem Bildfeld hinaus.
Die Kamera schwenkte.
Wir vermochten die Silhouette der 12 P vor dem schwarzen Himmel zu erkennen. Ihre Lichter waren erloschen, aber die Fläche des Schiffes verdeckte die Gestirne des Himmels, die hinter ihr lagen. Da glimmen, wo ihr gewaltiger Schatten oben endet, an der geneigten Flanke neue Funken auf: Sterne. Die 12 P bewegt sich! Neuer Schrecken! Aber die Hände, die sich fest in den Rand des Hockers verkrampften, lösten sich wieder. Das Schiff fiel in die vertikale Lage zurück. Wahrscheinlich stehen seine drei Füße jetzt auf festem Grund, dem mineralischen, der sich unter der lebendigen Decke verbarg, die nun zerstört ist.
So bleibt die Kamera stehen. Ziehende Nebel, fahles Sternenlicht. Sonst geschieht nichts mehr. Was spielt sich dort ab, wohin wir nicht sehen können?
Der Rest des Schocks ist jene Beklommenheit, die mich gestern anfiel, die lange vorher schon schwelte. Welcher Abgrund zwischen den Bildern gestern und heute! Welch bestürzende Erinnerung an die alte Erfahrung, daß sie beide einen einzigen Ursprung haben: organismisches Leben, das schön ist und das abscheulich wird in der Verwesung nach dem Tode.
Welche Schuld trifft uns an seiner Zerstörung? Gibt es in dieser Welt hier Schmerzen wie auf der Erde? Ist uns dieses Leben gefährlich? Ist, was wir sehen, Leiden, Abwehr oder Drohung?
RT 12 rast durch die Öde, die Erstarrung nur vortäuscht. Wir wissen besser, was unter uns mikroskopisch zuckend brütet.
Bild- und Sprechfunk sind gestört. Minehoa sucht in Hast nach dem Fehler. Falkhoven hilft. Aber ich sehe, daß er, sich ruhig gebend wie immer, abwesenden Blickes seine Gedanken andere Wege sendet. Bernin rechnet. Wir sollten schlafen. Wer kann das?
18. 3. 22
Die Wache ist bald zu Ende. Wir haben wieder Verbindung zu den Gefährten in der 12 P. Pausenlos
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