Das Gastgeschenk der Transsolaren
Reihe zum Wagen schwankten, fragte Anzew, der vor mir ging: »Der wievielte ist eigentlich heute?« Dabei preßte er seine Hand auf den Fleck auf der Schulter, als müsse er fürchten, sein Blut entströme dort dem Körper.
14. 3. 22
Heute ging nichts von der Hand, alle haben Muskelkater und sind wie zerschlagen. Wenn die Mädchen dabeisitzen, bemühen wir uns um den Anschein, als mache uns das wenig aus. Aber Bernins ungesunde Farbe straft seine matte Munterkeit Lügen. Sarah verteilt kritisch besorgte Blicke, Medikamente und genießbare Dinge. Unter dem Druck ihrer energischen Rede hat Falkhoven Ruhe empfohlen. Statt dessen gab es eine Überraschung, die heiterer war, als wir sie momentan zu empfinden vermochten.
Neben dem permanenten Gesumm, dem Klappern und Klicken, den Schaltgeräuschen der Relais und dem Konzert der übrigen phonischen Äußerungen von RT 12 erhoben nun alle paar Minuten auch noch Wecker aller möglichen Temperamente ihre unliebenswürdigen Stimmen, um irgend jemanden von uns zu einer Pflicht aufzurufen, die er sonst verschlafen könnte.
Eine Weile nahmen wir dieses Scherzo in Kauf, aber dann gab es Protest, und Anzews Konstitution erlaubte seinem Schimpfen schon wieder beeindruckende Ausführlichkeit. Sarah traf es ins Herz, wenn uns nicht wohl war. Sie erhob sich erschrocken, um wieder auf optische Signale umzustellen.
»Das geht nicht!« rief ihr Anzew nach, »wenn die Dinger stille sind, schlafe ich auf der Stelle ein. Was wird dann aus meinem stolzen Vorsprung in der Planerfüllung?«
Was freundlich erdacht war, wurde zum Teufelskreis. Mögen uns schlimmere erspart bleiben.
15. 3. 22
Ein Tag wie viele.
Wir empfingen Stuffords Bericht über technische Operationen wegen der angegangenen Ausleger der 12 P. Dort waren alle froh, daß dieses Unternehmen überstanden ist, und wir können uns ihre Verfassung vorstellen, da sie sich so synchron mit der unseren wandelt.
Einmal zwängte sich Falkhoven durch das Schott der Navigationskabine zu uns nach vorn. Minehoa folgte ihm. Ich hörte Bernin ihn fragen, wer denn die gesammelten Proben der Oberflächensubstanz gewogen habe. »Die Wägungen sind falsch«, bemerkte er spitz.
»Minehoa«, erwiderte Falkhoven dann und wollte es wohl mit dieser Antwort bewenden lassen. Er blieb vor Bernin stehen wie ein Fels, sah ihm ins Gesicht, während sich die Falten über seiner Nasenwurzel langsam glätteten. »Von Minehoa kommen keine falschen Werte. Deshalb ist sie hier«, beendete er schließlich die lange Pause, die Bernin mit hängenden Armen ertrug. Dann wandte er sich, um unverrichteterdinge zu gehen.
Minehoa, schmal hinter dem geräumigen Rücken Falkhovens stehend, war bei Bernins Worten erbleicht. Alle Verlegenheit fuhr in eine ihrer Hände, die sie in einer kleinen linkischen Bewegung wie zur Abwehr hob.
Bernin geht mir im Kopf herum. Unlängst sprach er von dem Glas draußen in einem Atem mit den biochemischen Begriffen Eiweiß und Zellulose. Morgen plant er den Einsatz einer Methode, die einst die Erforschung der Zellbiologie revolutionierte. Wer kann sich vorstellen, was sein wird, wenn das Verfahren anspricht?
Was denkt Falkhoven?
Steckt hinter dem, was auf seinen drei Bändern gespeichert ist, mehr als nur der Schaden, der jedem geordneten System durch blinden Eingriff von außen droht? Dann wirkt in der Zerstörung unserer Geräte ein Intellekt, der in atemberaubender Schnelle zu analysieren versteht, was ihm abgründig fremd sein muß, und der ohne Fehlschuß ins empfindliche Zentrum trifft.
Es gibt da noch bedrückende Einzelheiten: Nur das erlitt schleichenden, tödlichen Schaden, was unmittelbar auf diesem Glas hier stand, was es eng berührte; schlimmer: Alles, was mit ihm Kontakt hatte, wurde zerstört oder ist vorerst nicht mehr zu gebrauchen.
Was soll das für eine Intelligenz sein, die so verschiedenartige und verwickelte Systeme durchschauen kann, aber selbst nur erkennbar wird, indem sie sie vernichtet? Aber wir Menschen neigen auch heute noch zuwenig zur Besonnenheit, als daß wir urteilen, verurteilen dürften.
16. 3. 22
Nichts war heute zunächst anders als sonst, aber jene Minuten rückten heran, die unserem Tun und Denken von jetzt an Richtung geben werden.
Erwartungsvoll und ungerufen versammelten wir uns am Elektronenraster, dem Bernin in dieser Stunde das erste winzige Plättchen jenes Glases von draußen anvertrauen wollte. Wir versuchten
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