Das geborstene Schwert
wirst. Und ich werde dir sagen, wie du deine Feinde treffen kannst, falls sie nicht klüger sind, als du glaubst. Es gibt drei Kräfte in der Welt, gegen die Götter und Dämonen und Menschen machtlos sind, gegen die es keinen Zauber gibt. Das sind der Weiße Christus, die Zeit und die Liebe. Von dem ersten hast du nichts anderes zu erwarten, als daß er deine Pläne durchkreuzen wird, und du mußt Obacht geben, daß er und die Seinen auf keine Weise in den Kampf hineingezogen werden. Du kannst es verhindern, indem du dir vor Augen hältst, daß der Himmel geringeren Wesen ihren freien Willen läßt und sie nicht auf seine Wege zwingt; selbst die Wunder haben den Menschen nur eine Möglichkeit eröffnet, mehr nicht. Das zweite, das mehr Namen hat als ich selbst – Schicksal, Bestimmung, Gesetz, Wyrd, die Nornen, Notwendigkeit, Brahma und zahllose andere – kannst du nicht anrufen, weil es nicht hört. Auch wirst du nicht begreifen, wie es gleichzeitig mit dem freien Willen, von dem ich gesprochen habe, bestehen kann, ebenso wenig wie daß es sowohl alte Götter als auch den neuen gibt. Aber damit der größere Zauber wirkt, mußt du darüber nachdenken, bis du ganz von dem Wissen durchdrungen bist, daß die Wahrheit so viele Gesichter hat, wie es Seelen gibt, die danach streben, sie zu erkennen. Und die dritte Kraft ist etwas Sterbliches, und daher kann sie ebenso schaden wie nützen, und dies ist die Kraft, die du benutzen mußt. «
Nun schwor die Hexe einen bestimmten Eid und wurde unterrichtet, wo und wie sie das Wissen zu trinken habe, das sie benötigte, und damit endete die Besprechung.
Doch da war noch etwas: Als ihr Besucher die Hütte verließ und sie ihm nachsah, entdeckte sie, daß der, der ging, nicht der gleiche war wie vorher. Es war die Gestalt eines sehr großen Mannes, der mit jugendlicher Schnelligkeit ausschritt, obwohl sein Bart lang und wolfsgrau war. Er war ganz in einen Mantel eingehüllt und trug einen Speer, und es schien, daß unter seinem breitrandigen Hut nur ein Auge leuchtete. Sie dachte daran, wem ebenfalls nachgesagt wurde, daß er sehr schlau sei und oft hinterlistig und sich bei seinen Wanderungen auf der Erde gern verkleide, und ein Schauder überlief sie.
Aber es konnte ja auch eine durch das Sternenlicht hervorgerufene Täuschung gewesen sein. Sie grübelte über diese Frage nicht länger nach, sondern richtete ihre Gedanken allein auf ihren Verlust und ihre zukünftige Rache.
*
Abgesehen davon, daß der Wechselbalg heftig und geräuschvoll war, konnte er von einem echten Kind nicht unterschieden werden, und wenn das Benehmen ihres kleinen Sohnes Älfrida auch oft Kopfzerbrechen machte, kam sie doch nie auf den Gedanken, er sei etwa gar nicht von ihrem Blut. Sie ließ das Kind, wie Orm es gewünscht hatte, Valgard taufen, sang ihm vor und spielte mit ihm und war glücklich. Aber er biß so kräftig, daß es ihr Schmerz bereitete, ihn zu nähren.
Orm war entzückt, als er nach Hause kam und einen so schönen starken Jungen sah.» Ein großer Krieger wird er werden! «rief der Häuptling.» ein Waffenschwinger und Seefahrer. «Er sah sich im Hof um.» Aber wo sind die Hunde? Wo ist mein treuer alter Gram? «
» Gram ist tot «, antwortete Älfrida mit tonloser Stimme.» Er hat Valgard angesprungen und versucht, ihn zu zerreißen, deshalb mußte ich das arme wahnsinnige Tier töten lassen. Aber er muß die anderen Hunde beeinflußt haben, denn sie knurren und schleichen weg, wenn ich das Kind nach draußen trage. «
» Das ist seltsam «, murmelte Orm.» denn mein Volk hat mit Hunden und Pferden immer gut umgehen können. «
Doch als Valgard größer wurde, konnte jeder sehen, daß kein Tier ihn gern in seiner Nähe hatte. Kühe rannten davon, Pferde schnaubten und scheuten, Katzen spuckten und kletterten auf einen Baum, und der Junge mußte früh lernen, einen Speer zu tragen, um die Hunde abzuwehren. Doch auch er konnte die Tiere nicht leiden. Er bedachte sie mit Fußtritten und Flüchen und wurde ein gnadenloser Jäger.
Er war mürrisch und verschlossen, sehr wild und ungehorsam. Die Knechte haßten ihn wegen seiner Bosheit und wegen der grausamen Streiche, die er ihnen spielte. Und so sehr Älfrida auch dagegen ankämpfte, es kam allmählich dahin, daß sie ihn nicht mehr liebte.
Aber Orm war stolz auf Valgard, auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren. Wenn er den Jungen schlagen mußte, konnte er ihm keinen Schmerzenslaut entlocken, so hart seine Hand
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