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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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geblieben, weil sie damals, Ende der Siebziger, auf Dauerrotation liefen.
    Zu den Schlittschuhläufern gehörte auch Banny, allerdings kannte ich ihn zu diesem Zeitpunkt nur vom Hörensagen. Er galt als einer der härtesten Jungs in dieser harten Stadt. Ich erinnere mich, wie ich ihn vorbeirasen sah. Manchmal glitt er rückwärts, wenn er mit den Mädchen sprach, dann brauste er wieder davon, kam wirbelnd zum Stehen und schickte irgendeinen Jungen mit einem kräftigen Ellbogenstoß auf das knochenharte Eis. Slush Puppies, Space Invaders und Pac-Man.
    Mein Blick schweifte über die Tribünen, über das Meer aus Einheitsklamotten von Abercrombie & Fitch, Hollister und Ralph Lauren. Und ich kam nicht umhin, an all die verschiedenen Gruppierungen und Stämme zu denken, die die Flure meiner Schule bevölkert hatten.
    Mods. Punks. Teds. Skins. Die Heavy-Metal-Fraktion mit ihren Kutten über den Motorradlederjacken. Voll mit Aufnähern von Judas Priest, Saxon und Iron Maiden – letztere häufig ergänzt durch kunstfertige Darstellungen des Maskottchens Eddie und seiner skelettartigen Fratze. Der Mief von Patschuli-Öl. Die Gothic-Welle hatte unsere Schule noch nicht wirklich erreicht, obwohl es in der fünften Klasse ein paar wenige Kids mit schwarzen Klamotten und toupiertem, schwarz gefärbtem Haar gab, auf deren Rucksäcken seltsame Bandnamen wie Bauhaus, The Birthday Party oder Alien Sex Fiend prangten. Da er jüngere Eltern hatte, war Banny mehr an Mode interessiert als ich oder Tommy. Als wir uns kennenlernten, rangierte er irgendwo zwischen Mod und Skin: Fishtail-Parka, aber die Haare deutlich kürzer geschoren, als Paul Weller sie trug, dazu Desert Boots und Sta-Prest-Hosen. Später tendierte sein Stil immer mehr in Richtung dessen, was wir »casual« nannten: Pique Sweater, Loafer mit weißen Socken, stonewashed Jeans, Harrington-Jacke. Der Pony fiel ihm in einer breiten Strähne übers rechte Auge. Wenn er mit einem sprach, blies er sich immer das Haar aus dem Gesicht.
    »Hallo, Donnie.«Ich drehte mich um, blickte auf und sah Irene. Sammy stand noch und unterhielt sich mit den Krugers hinter uns.
    »Hallo, Irene. Sorry, ich war gerade ganz woanders.«
    »Darf ich?« Sie wies auf den leeren Platz neben mir.
    »Natürlich, hier …« Ich nahm unsere Mäntel und Schals zur Seite. Irene setzte sich, löste ihren Schal, schälte sich aus ihrer Daunenjacke und strich ihr dickes, rotes Haar über die Schulter. Sie verließ das Haus nie ungeschminkt – bloß ein bisschen Make-up, Mascara, Lippenstift –, und der Duft ihres Parfüms erfüllte nun die kalte Luft. Sie kam oft zu Walts Spielen, eine Geste der nachbarschaftlichen Unterstützung und Solidarität, die wohl eher schlichter Einsamkeit entsprang. Eine Witwe mit der Aussicht auf ein langes, unerfülltes Wochenende.
    »Brrr«, sagte sie und rieb sich die Hände. »Wo steckt denn unser kleiner Superstar?« Ich deutete auf Walt. »Alles in Ordnung? Sie wirken ein wenig, nun ja, abgelenkt?«
    »Oh, alles bestens, es ist bloß …« Ich schielte nach rechts. Sammys Hintern war nur einen halben Meter von meinem Gesicht entfernt, sie war mit Stephanie Kruger in ein Gespräch vertieft. »Ich weiß nicht, Irene. Die Kids heutzutage, sie scheinen zu glauben, sie könnten alles haben, was sie …« Ich hielt inne. Die Kids heutzutage? Himmel, hörst du dich eigentlich reden?
    Irene schien meine Gedanken zu erraten und lachte. »Befürchten Sie etwa, allmählich wie ein alter Sack zu klingen?«
    Ich beobachtete Walt, der mit ein paar von seinen Freunden sprach, die Schläger vor ihnen gekreuzt. Ihre Hände, die in den dicken gepolsterten Handschuhen steckten, sahen aus wie die Fäuste von Transformer-Robotern, von gepanzerten Samurai-Kriegern. Für einen Augenblick überrollte mich eine heftige Welle des Bedauerns, weil ich kurz vor einem Spiel so hart mit ihm umgesprungen war. Ich musste gegen den Impuls ankämpfen, zur Bande herunterzugehen und ihm viel Glück zu wünschen. Die Jungs hatten allmählich das Alter erreicht, in dem sie es als peinlich empfanden, wenn ein Elternteil sie in Gegenwart ihrer Freunde ansprach.
    »Nun, ich bin eine alte Schachtel«, sagte Irene. »Und ehrlich gesagt, scheinen mir alle Kids heutzutage – nicht nur Walt – schrecklich viel teuren Kram zu bekommen. Ich könnte wetten, dass das in Ihrer Jugend in Schottland ganz anders war.«
    »Machen Sie Witze?«, sagte ich. »Als ich in Walts Alter war?« Ich lachte. »Das können Sie mir aber

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