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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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stiegen aus Mercedes-, Audi- und BMW-SUVs, beladen mit riesigen Sporttaschen und Eishockeyschlägern. Mein Herz raste.
    »Was ist dein Problem?«, fragte Sammy, kaum dass die Tür geschlossen war.
    » Mein Problem?«, sagte ich. »Du machst Witze, oder? Das beschissene Handy hat vierhundert Dollar gekostet, und es hat nicht einmal ein Jahr gehalten. Er muss lernen, den Wert von Dingen zu schätzen. Verantwortung zu übernehmen.«
    »Er ist acht, Donnie.«
    »Eben! Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wofür ein Junge in seinem Alter ein Handy wie dieses überhaupt braucht! Er …«
    Sammy seufzte. Das alles war nicht neu für sie.
    Kürzlich hatte sie mir von einem von Walts Schul freunden erzählt, einem dicken, sommersprossigen Jungen namens Grady. Vor ein paar Monaten hatte Grady das Limit seines Handy-Tarifs um sechshundert Dollar überzogen. Seine Eltern machten ihm die Hölle heiß, sein Vater kündigte den Vertrag, und der Junge bekam ein Prepaid-Handy. Daraufhin hatte sich Grady bei seiner Mutter beschwert, dass ihm ständig das Guthaben ausginge und er nicht mehr telefonieren könne. Was wäre, menetekelte er, wenn es zu einem Notfall käme und er sie nicht anrufen könne? Also ging die Mutter hin und reaktivierte den Handyvertrag, ohne es mit dem Vater zu besprechen. Prompt verlor der Junge die Kontrolle über all die Internetseiten, Chatrooms und Gott weiß was noch alles, weshalb sich die Rechnung diesmal auf stolze siebenhundert Dollar belief.
    »Siebenhundert Dollar im Monat?«, fragte ich.
    »Exakt«, lachte Sammy.
    Ich hatte es versucht. Ich hatte wirklich versucht, mir die Reaktion meines Vaters auf eine solche Offenbarung auszumalen. Sein Gesicht, wenn er erfuhr, dass er über vierhundert Pfund auftreiben musste, um die Telefonrechnung seines achtjährigen Sohnes zu bezahlen. Es wollte mir einfach nicht gelingen. Ein derartiges Szenario war einfach unvorstellbar. »Und was ist dann passiert?«, hatte ich Sammy gefragt. Ihre Antwort war ein resigniertes Schulterzucken gewesen: Was soll man machen?
    Jetzt saß sie da und blickte durch die Windschutzscheibe auf die anderen Autos, die dichten Wolken kondensierter Auspuffdämpfe, die Jungs mit ihren Taschen. »Wir haben jetzt keine Zeit für so was«, erklärte sie und zerrte am Griff der Autotür. Mit einem schweren, dumpfen Geräusch fiel sie hinter ihr ins Schloss. Seufzend trabte ich hinterher.
    Eishockey war als Jugendsport ungeheuer beliebt. Die Kinder hier lernten Schlittschuhlaufen, sobald sie sich auf den Beinen halten konnten. Walts Mannschaft, die Alarbus Eagles, spielten an diesem Tag gegen die Saskatoon Blades. Ein Ligaspiel. Wir schoben uns in die Eishockeyhalle hinter der Highschool. Auf den Tribünen rechts und links der Eisbahn drängelten sich bereits Dutzende von Elternpaaren, gekleidet in schwarze, rote und marineblaue North-Face-Jacken, Gore-Tex- und Timberland-Stiefel. Hier drinnen war es kaum wärmer als draußen. Dampfwolken stiegen von ihren Lippen und den Styropor-Kaffeebechern auf, bildeten Nebelschwaden über ihren Köpfen.
    Sie hatten Picknickkörbe mit Sandwiches, Light-Bier und Kartoffelchips dabei. Plaudernd standen sie in Grüppchen herum. Wir erwiderten High-Fives und Hallo-Rufe, während wir uns zu unseren Plätzen neben Jan Franklin, den Marshes und den Krugers begaben. Auf dem Eis wärmten sich die Jungs bereits auf, testeten die Bahn, fuhren Kreise und Achter. Laut klappernd traktierten die Schläger den Puck, im Hintergrund dudelte »Baby Elephant Walk« vor sich hin.
    In meiner Heimatstadt hatte es ebenfalls eine Eisbahn gegeben, im Magnum-Vergnügungszentrum, einem riesigen Gebäude aus gewelltem Stahlblech, in dem es auch ein Schwimmbad, Bowlingbahnen, Basketball- und Squashfelder gab. Außerdem ein Kino. Es war in den Siebzigern am Hafen erbaut worden, als ich etwa in Walts Alter war. Schlittschuhlaufen hatte ich allerdings nie gelernt. Ich stolperte immer nur am Rand entlang und krachte in die Bande. Während meine geliehenen Plastikschlittschuhe – wir nannten sie Purple Panthers – unter mir willkürlich in sämtliche Richtungen ausbrachen, als hätten sie einen eigenen Willen, pöbelten uns die größeren Jungs in ihren Eishockeyschuhen lauthals an und bespritzten uns bei vorsätzlichen Bremsmanövern mit eiskaltem Tauwasser. Derweil dröhnte in ohrenbetäubender Lautstärke Musik durch die riesige, zugige Halle. ELOs »Mr. Blue Sky« und Elvis Costellos »Oliver’s Army« sind mir im Gedächtnis

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